Für ein voll sphärisches Panorama mit 360°x180° gibt es heute diverse Hardware-Ausführungen. Noch vor 15 Jahren kam dafür nur ein komplexes multi-row Panoramasystem in Frage. Nur so war es möglich, ein voll sphärisches Panorama mit einem Weitwinkelobjektiv aufzunehmen, wenn es eine akzeptable Auflösung von 10...15 Pixeln pro Grad (Px/°) haben sollte. Über die Jahre hat sich aber viel verändert, ist vieles einfacher und auch kostengünstiger geworden. Insbesondere aber ist die Sensorauflösung aktueller Kameras deutlich höher. Das erlaubt uns heute, mit einem Fisheye-Objektiv und wenigen Aufnahmen in single-row-Technik volle Sphären mit einer hohen nativen Auflösung von 30...60 Px/° zu generieren.
Tatsächlich gibt es Dank der hohen Sensorauflösung und der Verfügbarkeit von preisgünstigen Fisheye-Objektiven heute keine Notwendigkeit mehr für die Verwendung eines multi-row Panoramasystems. Lediglich Gigapixel-Panoramen verlangen zwangsläufig die multi-row-Technik. Aber die würde ich grundsätzlich nur mit einem automatischen, motorisierten Positioniersystem aufnehmen. Denn die Aufnahmetechnik mit einem konventionellen, manuellen multi-row-Panoramasystem ist dafür viel zu fehleranfällig. Das gilt ausnahmslos.
Für viele WEB-Anwendungen gelten inzwischen Auflösungen um die 20 Px/° als Standard. Das sind dann z.B. 7.200 x 3.600 Pixel für das Equi, also 26 Megapixel.
Die höchsten Panoramaauflösungen, die im kommerziellen Bereich gefordert werden, liegen aktuell bei 32k Px/360°. Selbst das setzen Fotografen, die sich auf HDR-Texturen für IBL (imaged-based lighting) spezialisiert haben, in single-row-Technik um. Dazu kommt aktuell in der Regel eine Sony A7RIV mit einem Fullframe Fisheye zum Einsatz. Mit dem SLANT sind dann 8 Aufnahmen für die volle Sphäre erforderlich. Das Panorama wird dann direkt in PTGUI auf die geforderte Auflösung „hochgerendert“. Gerade wenn für HDR-Panoramen das Bildmaterial mit 5-fach oder gar 9-fach Bracketing aufgenommen werden muss, reduziert sich durch die single-row-Technik der Aufwand bei der Aufnahme und beim Stitchingprozeß ganz entscheidend - ganz abgesehen von der hohen Stabilität und Zuverlässigkeit des SLANT Panoramasystems.
Für das Gros der Anwendungen mit 6k...12k Px/360° Auflösung aber reicht bereits ein Setup mit einem Portrait-Fisheye mit nur 4 Aufnahmen für die volle Sphäre. Allerdings führt kein Kamerahersteller ein Portrait-Fisheyes im Sortiment. Daher sind solche Setups immer trickreich kombinierte Kamera-Objektiv-Kombinationen. Vor 10 Jahren war das z.B. das rasierte 10,5mm Nikkor an einer Vollformat-DSLR, inzwischen gerne das rasierte Samyang f2,8/8mm an einer Sony A7. Speziell für die spiegellosen APS-C-Kameras (Canon-M, Fuji-X, Sony A6k) hatte ich bereits früher die Verwendung eines Samyang f3,5/7,5mm MFT-Fisheyes erwähnt. Leider hat Samyang diese attraktive Option noch immer nicht auf dem Radar. Aber es gibt ein Mount Replacement Kit aus chinesischer Fertigung, mit dem sich das MFT-Bajonett der Linse gegen ein APS-C Bajonett tauschen lässt.
Ich verwendete das kompakte MFT-Fisheye gelegentlich an einer Fuji-X und empfehle es auch immer wieder gerne unseren Kunden, die auf der Suche nach einem einfachen, preisgünstigen Setup sind, mit dem sich perfekte vollsphärische Panoramen mit geringem Aufwand erstellen lassen – und das mit über 10k Px/360° und dem vollen HDR-Tonwertumfang, der jedes automatische VR-System alt aussehen lässt.
Für Immobilienmakler zum Beispiel ist das Setup ideal.
Im Auftrag unserer Kunden habe ich schon Umbauten in allen Varianten ausgeführt, für Canon-M, Fuji-X und Sony-E. Dabei tausche ich nicht nur das Bajonett, sondern modifiziere auch die Sonnenblende des MFT-Objektivs, wo ich 2 der 4 Segmente ganz entferne und die beiden größeren nur kürze. So lässt sich der Original Objektivdeckel weiterhin zum Schutz der Frontlinse verwenden. Es stört nicht, dass dann die verbleibenden Ecken der Rest-Sonnenblende etwas ins Bildfeld ragen, da die verdeckte Bildinformation im Panorama redundant ist.
Mit dieser Kamera-Objektivkombination reichen am KISS oder SLANT Panoramasystem nur 4 Aufnahmen für die volle Sphäre. Der vertikale Bildwinkel beträgt dann 189° - am SLANT selbst mit dem kleineren Crop-1,6-Sensor der Canon-M. Zenit und Nadir des Panoramas sind also immer geschlossen. Nicht so beim "normalen" Fullframe, dem f2,8/8mm V2: Es bringt nur etwa 176° diagonalen Bildwinkel am APS-C-Sensor und verlangt doppelt so viele Aufnahmen.
Zum Vergleich stelle ich relevante Daten für das kleine MFT-Fisheye und dem Samyang f2,8/8mm V2 Fullframe gegenüber. In beiden Fällen verwende ich den Fuji X-T4 Body mit 26 MP-Sensor am SLANT Panoramasystem.
Samy f3,5/7,5mm | Samy f2,8/8mm V2 | Anmerkung | |
Typ | Diagonal-Fish | Fullframe Fish | an der APS-C |
Bildkreis ∅ mm | 22,8 | 31 | |
diag. Bildwinkel | ca. 189° | ca. 176° @ APS-C | |
# Aufnahmen | 4 | 8 | am SLANT NPA |
Brennweite mm | 7,04 | 8,3 | PTGUI Optimizer |
Fisheye-Faktor | -0,2 | 0,37 | PTGUI Optimizer |
natives Equi px | ca. 11.800 x 5.900 | ca. 13.900 x 6.950 | |
Pano-Auflösung | 32 Px/° | 38 Px/° | |
Zenit | geschlossen | kleiner Stern | pitch 0° |
Nadir | geschlossen | kleiner Stern |
pitch 0° |
Als Quellbilder wurden die JPGs direkt aus der X-T4 verwendet.
Die Belichtung war unterschiedlich bei schlechtem Mischlicht. Sie sollen auch nur die Situation in Zenit und Nadir verdeutlichen. Ich werde daher in Kürze die Aufnahmen noch einmal bei gutem Licht anfertigen, stitchen und hier hinterlegen.
Alle in der Tabelle hinterlegten Bilder sind aus PTGUI generiert und nicht angefasst, also weder nachgeschärft noch retuschiert.
Die tatsächliche Panorama-Auflösung hängt bei gegebener Sensorgröße nur von der Brennweite ab. Somit ist die Auflösung mit dem 8er Samy 18% höher als beim 7,5er. Allerdings erfordert die längere Brennweite doppelt so viele Aufnahmen und eine Nacharbeit am nicht ganz geschlossenen Zenit. Daher halte ich die Verwendung des modifizierten 7,5mm Samy am APS-C-Format für wesentlich effizienter.
Nachtrag März 2021: Es gibt einen Aspekt bei der Aufnahme mit Fisheye-Objektiv und single-row, auf den ich in der obigen Darstellung nicht eingegangen bin: Alle Fisheye-Objektive weisen einen winkelabhängigen Nodalpunktgang auf. Dieser kann in einzeilig aufgenommenen Panoramen im Bereich des Zenits und Nadirs zu Stitchingfehlern führen. Bei einem in multi-row-Technik aufgenommenen Panorama liegen diese Bereiche immer weit im Überlapp-Bereich der Quellbilder - und werden daher für das gestitchte Panorama nicht verwendet. Das ist wohl der einzige Aspekt, der gegen die single-row-Technik bei voll sphärischen Panoramen sprechen kann.
Kommentare
Welches Fullframe Fisheye?
Hallo Herr Hopf,
wieder einmal ein toller Artikel!
Sie schreiben "...Dazu kommt aktuell in der Regel eine Sony A7RIV mit einem Fullframe Fisheye zum Einsatz...". Können Sie auch ein entsprechendes Fullframe empfehlen?
Viele Grüße
Ansgar
Welches Fullframe ?
... bislang meistens das Samyang f2,8/12mm.
Ich denke, das f2,8/11mm TTArtisan könnte mittelfristig die Führung übernehmen, einfach weil es kompakter ist. Im Prinzip lässt sich jedes Fullframe aus der DSLR-Welt an die A7 adaptieren, z. B. das bekannte 15mm Canon oder das 16mm Zeiss.
es gibt noch einen Aspekt zu berücksichtigen
Hallo Herr Hopf,
einen ausgezeichneten und fundierten Artikel haben Sie hier verfasst. Ich lese Ihre Beiträge im Blog immer wieder gern und lerne jedesmal dazu :-) Zu Ihrem Nachtrag vom März 2021 möchte ich noch Aspekt hinzufügen:
Wenn der Anspruch besteht, eine Szenerie mit hohem Dynamikumfang und perfektem Bodenbild mit Belichtungsreihen aufzunehmen, sind die Möglichkeiten mit einer einreihigen Aufnahmeserie nicht optimal. Ich meine hier den Einsatz des Slant-Nodalpunkadapters zu dem Zweck. Es besteht nach meiner bisherigen Erfahrung kein betriebssicherer und aufwandsarmer Workflow, um die Aufnahmeserie für das Bodenbild mit dem Slant auf dem Stativ zu erledigen. Bei Einzelaufnahmen ist das mit dem Slant und einer nach unten geneigten Kamera auf dem "gekippten" Stativ problemlos möglich.
Für Panoramen, die Aufnahmen mit Belichtungsreihen erfordern, setze ich regelmäßig den MuliRow Nodalpunktadapter ein. Damit ist das Bildmaterial mit wenig Aufwand zu erstellen und für das Bodenbild wird das Stativ dann einmalig umgestellt, um den Bodenbereich, wo es vorher stand, abzulichten. Ein Beispiel hierfür ist diese Panoramatour, für die die Einzelpanoramen überwiegend mit dem MultiRow und Belichtungsreihen entstanden sind: https://www.hpbogo.de/rathaus/index.html. Bei der Betrachtung des Bodens im Ratssaal wird deutlich, dass ein separates Bodenbild zwingend ist. Eine Retusche des Bodens in dem Raum ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich.
Ich meine, die Szenerie bestimmt den Einsatz des Werkzeugs. Sie bieten mit dem Slant und dem MultiRow zwei hervorragende Systeme an, mit denen alle Herausforderungen beim Erstellen von 360° x 180° Panoramen gemeistert werden können.
Hardware vom Feinsten… Dank für die Entwicklung :-)
Viele Grüße
Hartmut Bogorinsky
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