Blog-Eintrag

Tiefer gelegt aber ohne Grip(s)

Auch für Kameras gibt es "Trends" - sowohl was die technische Ausstattung angeht als auch hinsichtlich Größe, Form und Geometrie.
Im Hinblick auf die Verwendung zur Panoramafotografie sind sowohl positive, als auch negative Trends zu verzeichnen.

Positiv aus Sicht der Nutzung für Panoramafotografie sind u.a. folgende Entwicklungen:

  • Kompaktheit der Kameras und der daraus resultierenden Lage des Schwerpunkts
  • signifikante Verbesserung der Sensorqualität (Auflösung und Tonwertumfang)
  • vermehrter Einsatz von hochwertigen Festbrennweiten

Negativ sind

  • Repositionierung des Stativgewindes
  • übertrieben Tieferlegung der optischen Achse

Der Verzicht auf den Schwingspiegel bei der neuen Klasse von Systemkameras à la Lumix G, Olympus PEN oder Sony NEX erlaubte eine deutliche Verkürzung (Halbierung !) der Auflagemaße gegenüber den DSLRs sowie die Konstruktion wesentlich kompakterer Objektive - ganz im Stil der Leica-M.
Für Panoramafotografie, wo die Kamera an einem Nodalpunktadapter um die vertikale und ggfs. auch horizontale Achse rotiert werden muss, sind kompaktere Kameras mit kürzeren Objektiven sehr vorteilhaft: Je geringer das Trägheitsmoment (also Masse * Hebelarm) der Kamera, desto kontrollierter lässt sich die Kamera rotieren und desto leichter kann das Panoramasystem selbst ausgelegt werden. Eine Olympus E-PL5 ausgestattet mit der M.Zuiko 12mm Festbrennweite oder dem kleinen Samyang Fisheye benimmt sich selbst an einem sehr leichten Panoramasystem sehr folgsam, während der Vollformat-Bolide Nikon D800 mit dem f2,8/12-24mm Objektiv jedem Panoramasytem zeigt, was der Spiegel geschlagen hat. 
Wenn wir schon bei der D800 und Co. sind: Die wenigsten Fotografen, die so ein Geschütz am Panoramasystem betreiben, machen sich bewusst, dass die gut 2 Kilo Präzisionstechnik an nur 3 Gewindegängen und wenigen Kubikmillimetern der kleinen 1/4"-Kameraschraube hängen (!). Ähnliche Kaliber sind die Canon 5DMk3 mit dem schönen 2,8/16-35mm oder auch mit dem neuen Tokina f2,8/16-28mm sowie die nicht minder wuchtige Sony α99 mit dem Zeiss Sonnar f2,8/16-35mm. Das sind alles hochwertige und leistungsstarke Kamera-Objektivkombinationen - nur für Panoramafotografie völlig ungeeignet.
Allenfalls mit kurzen, hochwertigen Festbrennweiten oder rasierten Fisheyes machen diese Kameras am Panoramasystem Spaß und Sinn - aber noch lange nicht soviel, wie die aktuelle Generation von spiegellosen Systemkameras.
Dem panoramawilligen Einsteiger, der das noch nicht glauben mag, dem rate ich, seine Kamera mit einem solch schweren Zoom-Objektiv auf einen normalen Kugelkopf zu schrauben und dann die Kamera ins Hochformat zu stellen, die optische Achse genau waagerecht auszurichten. So und nicht anders hängt die Kamera am Panoramasystem und muss dann um eine oder zwei Achsen rotiert werden, während die Eintrittspupille millimetergenau fest im Raum stehen muss. 

Während bei den DSLRs der beiden großen Marken der Trend dahin geht, den Kamera-Body kompakter zu gestalten indem man die optische Achse immer tiefer legt, kommt der unter dem Spiegel positionierte Autofokus-Modul immer mehr mit dem Stativgewinde in Konflikt (schon wieder dieses leidige Thema). Zumindest bei den DSLRs zögern die Kamerakonstrukteure bislang noch, das Stativgewinde seitlich der optischen Achse zu positionieren. Aber es bewegt sich unaufhaltsam immer weiter nach hinten, teils hinter die Sensorebene - und weit weg vom Schwerpunkt der Kamera. Das hat dann den unangenehmen Nebeneffekt, dass so eine Kamera mit einem schweren Objektiv selbst im Querformat nicht mehr sicher auf dem Stativ ruht, geschweige denn in Hochformatstellung am Panoramasystem.
Aus dieser Sicht kann man die neue Nikon D600 mit dem Kameragewinde hinter dem Sensor nur als Fehlkonstruktion bezeichnen ...
Aber es gibt auch positive Beispiele, gegen den Trend: Die Nikon D5200 ist meines Erachtens derzeit die beste DSLR für Panoramafotografie.

Aber auch bei den spiegellosen Systemkameras wird es allmählich eng im Bereich des Stativgewindes. Bisher ist beim Integrationswunder Sony NEX (auch bei der RX1) das Kameragewinde da, wo es bislang hingehörte, nämlich genau unter der optischen Achse - und das, obwohl diese auf für eine Crop1,5-Kamera unerhörte 31mm über Kameraboden abgesenkt wurde. Blöd nur, dass inzwischen die neuesten Systemobjektive mehr als 62mm Durchmesser aufweisen und daher unten überstehen. Richtig lichtstarke Systemobjektive mit Autofokus und integrierter VR-Mimik passen gar nicht mehr an die NEX. Die NEX wird dann am Objektiv befestigt.

Auch die Mitbewerber in dem Kamerasegment haben die optische Achse tiefer gelegt: Alle MFTs, die Canon-M, die Fuji X Pro, die Nikon1, die Samsung N und wie sie alle daherkommen. Dabei sind Sie zum Teil deutlich über's Ziel hinausgeschossen: Ausgewachsene Männerhände können die Kamera eigentlich nicht mehr richtig halten. Olympus und Fuji haben dann auch gleich noch das Kameragewinde seitlich versetzt. 

Tuning Fuji X-ProDaher gibt es zur schönen Olympus OM-D M5 wie auch zur Fuji X-Pro einen anschraubbaren, doppelten Boden mit Griff: 10mm dickes, genauso unschönes wie unsinniges Plastik mit einem vertikalen Wulst an der Vorderseite, den man besser an der Kamera selbst angebracht hätte. Damit kann man die Kamera wieder greifen, die optische Achse rutscht wieder hoch und das Kameragewinde wieder in die Mitte.
Und das alles nur, um im angesangten Wettlauf um noch kompakter und noch leichter vorne mit dabeizusein.

Ein völlig unsinniger Modetrend - gerade so wie zerrissene Jeans ab Fabrik ...

 

Anmerkung: 
Wir werden auch künftig unsere aufnahmefertig konfigurierten Panoramasysteme nur für die Kamera ohne Kameragriff anbieten. Allein für die OM-D gibt es derzeit 3 unterschiedliche Griffvarianten.


Nachtrag 5.6.2015:
Inzwischen haben einige dazugelernt !
1. Die Stativgewinde der neueren Systemkameras sind jetzt alle unter die optische Achse gerutscht - außer bei Fuji.
2. ReallyRightStuff (RRS), die mit den schnöden L-Brackets richtig gut verdient haben, haben jetzt ein Problem: Ihre chinesischen Fremdfertiger machen jetzt das Endkundengeschäft selbst und verkaufen inzwischen Raubkopien der RRS-Produkte weltweit über Amazon unter diversen "Markennamen" (in Europa als "Mengs") zum Spottpreis.
3. Als erste haben jetzt Sony mit der A7/II und Samsung mit NX1 die optische Achse wieder höher gelegt als bei den vorhergehenden Versionen. Ob das eine Trendumkehr ist, muss sich zeigen.
Schöner werden die Kameras damit zwar nicht, aber immerhin kann man so einen vernünftigen Akku verbauen, der nicht nach schon nach 250 Aufnahmen leergezutzelt ist. 

Was spräche denn dagegen, dass Fuji bei der X-T2 die optische Achse 3mm anhebt, den Griff für die rechte Hand 3x so dick macht und diesen dann großzügigen Hohlraum mit einem richtig dicken Akku füllt. Dann könnte man 600 Aufnahmen machen ohne nachzuladen und die Kamera mit den lichtstarken (Zoom-)Objektiven auch sicher halten. Den Kameraboden könnte man gleich kompatibel für das Arca-Swiss Klemmsystem auslegen und unter der optischen Achse wäre so auch noch genug Platz für das richtig positionierte Stativgewinde. 

Nachtrag Sept. 2016
So, jetzt ist dieses Thema endlich Geschichte: Auch Fuji hat es bei den neuen Kameras geschafft, das Stativgewinde richtig zu platzieren. Sowohl bei der X-Pro2 als auch bei der X-T2 hat Fuji das Stativgewinde unter der optischen Achse platziert.
(zudem hat es Fuji auch noch geschafft, das Bracketing auf +/-2 EV auszudehnen.
Das lässt doch hoffen auf ein entsprechendes Firmware-Update für die X-T1).

 

Kommentare

unglaublich wie hier mit wenigen worten ausdrucksstark und präzise die tücken der panorama fotografie beschrieben werden. man kann das preigegebene wissen von pt4pano nur dankbar aufsaugen ....... herzlichen dank dafür ! Alfred, uderns im zillertal

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