Viele Fotografen verstehen unter „Panorama“ grundsätzlich ein voll sphärisches Panorama mit 360°x180° Bildwinkel. Und in diversen Foren zum Thema wird immer noch suggeriert, so ein voll sphärisches Panorama sei die Hohe Schule der Panoramafotografie.
Ich denke, das ist historisch durchaus verständlich, weil es viele Jahre recht mühsam war, ein weitgehend fehlerfrei gestitchtes voll sphärisches Panorama zu generieren. Inzwischen kann das aber mit dem richtigen Panoramasystem (z.B. unserem KISS, SLANT oder MultiRow mit rastendem Rotator) wirklich jeder, und dank Software wie Pano2VR ist auch der obligatorische Nadir-Patch ein Kinderspiel.
Nach wie vor lässt sich ein sauber gestitchtes und Nadir-gepatchtes Panorama im Hotel- und Gaststättengewerbe teurer verkaufen als eines mit Logo im Nadir. Dabei, seien wir doch ehrlich, interessiert man sich als Betrachter einer Homepage nicht für Nadir und Zenit – es sei denn, man will sehen, ob sauber gearbeitet wurde. Man schaut ja auch im täglichen Leben nicht ständig senkrecht nach oben oder auf die Füße. Unsere visuelle Wahrnehmung beschränkt sich zu über 99% auf weniger als 100° vertikalem Bildwinkel.
Ich finde ein Kugelpanorama, das auf 120°-140° vertikalen Bildwinkel limitiert ist, viel attraktiver - auch, weil dann bei gleicher Dateigröße die Auflösung deutlich höher ist.
PT4Pano vertreibt die Panoramasysteme nicht über ein anonymes Shop-System, sondern konfiguriert die Panoramasysteme entsprechend den Kundenwünschen. So wissen wir, wie und mit welcher Zielstellung die Fotografen die Panoramasysteme einsetzen. Etwas weniger als die Hälfte der Setups sind für voll sphärische Panoramen mit Fisheyes konfiguriert. Der etwas größerer Anteil – inklusive des KompaktSets für Kompaktkameras – wird hauptsächlich für Zylinder- und Flächenpanoramen mit rectilinearen Linsen eingesetzt.
Insbesondere die Leica-M-Fotografen nutzen dabei das Panoramasystem primär für Flächenpanoramen mit 3-4 Aufnahmen single row oder 3x4 Aufnahmen multi-row, also insbesondere zur Steigerung der Auflösung. Dabei kommen dann durchaus auch 50er und 75er Brennweiten zum Einsatz.
Für großformatige Prints, sagen wir mal DIN-A0-Format (118,9cm x 84,1cm) gedruckt mit 300 PPI braucht es 140 Megapixel (14.043 x 9.933 Pixel) – weit mehr, als der beste Kamerasensor heute hergibt. Mit Panoramatechnik kann diese Auflösung aber mit jeder normalen Kamera generiert werden. Jedoch sagt die Auflösung, also die Anzahl der Pixel allein, noch nichts über die Winkelauflösung des Panoramas aus. Die Winkel-Auflösung des Panoramas, ausgedrückt in Pixel pro Grad hängt nur von der bei der Aufnahme verwendeten Brennweite ab. Je länger die Brennweite, desto höher ist die Winkelauflösung des Panoramas.
Die Zusammenhänge will ich hier am Beispiel einer Kamera mit 24M Pixel aufzeigen: Nehmen wir an, die verwendete Kamera sei eine APS-C-Kamera mit 24 Megapixel Sensor (z. B. Nikon D5300 oder Sony NEX7) und wir haben 3 Objektive zur Verfügung, ein 8mm Fisheye, eine 10-22mm Weitwinkel Zoom und ein 35mm Normalobjektiv.
Der Lichtstrahl, der unter einem beliebigen Winkel α („Feldwinkel“) zur optischen Achse in das Objektiv gelangt, erzeugt auf dem Sensor einen Lichtpunkt, der den Abstand R von der Sensormitte hat. Die Abbildungsgleichung ("Projektion") beschreibt den Zusammenhang zwischen α und R.
Für die beiden rectilinear abbildenden Objektive gilt die Abbildungsgleichung R=f∙tanα.
Für das Fisheye gilt im Idealfall R=f∙α (α wird in dem Fall im Bogenmaß angegeben).
Im Winkelmaß lautet die Formel dann R= f∙α∙2¶/360°. Die Brennweite f ist in beiden Fällen die Proportionalitätskonstante.
Die Ableitung δR/δα beschreibt, wie sich der Abstand zweier Bildpunkte ändert, wenn zwei diese Bildpunkte generierende Lichtstrahlen ihren Einfallswinkel zur optischen Achse ändern. δR/δα ist die winkelabhängige Auflösung des Bildes auf der Sensorebene in Millimeter pro Grad. Der Sensor unserer Kamera „misst“ aber nicht in Millimeter, sondern in Pixel. Der APS-C-Sensor der zitierten Kamera hat 24 Megapixel, also 6.000x4.000 Pixel und eine Kantenlänge von ca. 24mm x 16mm. Die Pixeldichte beträgt also ca. 250 Pixel pro Millimeter.
Die Auflösung δR/δα eines Fotos aufgenommen mit dem genannten Sensor beträgt dann zum Beispiel für das Fisheye 8mm∙6,28/360°∙250 Pixel/mm, (also f (in mm)*4,36 Pixel/Grad), das sind beim 8mm Fisheye ca. 35 Pixel/Grad.
Die Auflösung beträgt dann für die verschiedenen Objektive an dieser Kamera in der Bildmitte (*)
- 8mm Fisheye 35 Pixel/Grad
- 10mm rectilinear 44 Pixel/Grad
- 22mm rectilinear 96 Pixel/Grad
- 35mm rectilinear 153 Pixel/Grad
Stitcht man nun mehrere Aufnahmen zu einem Panorama, bleibt diese Auflösung erhalten. Sie ist also die maximale Winkelauflösung, die ein Panorama haben kann. Nimmt man z.B. mit dem zitierten Fisheye ein voll sphärisches Panorama auf und stitcht es mit maximaler „generischer“ Auflösung in einer equirectangularen Projektion, hat das Panorama dann 360°∙35 Pixel/Grad x 180°∙35 Pixel/Grad, also ca. 12600 x 6300 Pixel oder 79,38 Megapixel. Dabei ist es völlig unerheblich, wie viele Aufnahmen und welches Panoramasystem man verwendet.
Nimmt man dagegen das voll sphärische Panorama mit dem 35mm-Objektiv und einem multi-row-Setup auf, dann hat das „Equi“ 55.080 x 27.540 Pixel oder ca. 1.500 Megapixel.
Für ein Gigapixel-Panorama muss also immer eine lange Brennweite verwendet werden. Tatsächlich kommen da für Flächen- und Zylinderpanoramen Linsen mit 135mm und mehr zum Einsatz.
Dagegen muss das Panorama, das auf der Homepage eines Hotelbetriebs oder eines Wellness-Centers den Betrachter ein Rundumbild geben soll, vor allem schnell vom Server geladen sein. Es darf daher nicht zu groß sein. Die finale Dateigröße muss auf wenige MB limitiert sein. Skaliert man das Panorama nach dem Stitchen sagen wir auf eine Breite von 6.000 Pixel, hat es als MOV oder SWF-File immer noch eine Auflösung von 16 Pixel pro Grad. Das ist für den Zweck mehr als genug.
Daher macht es für Kugelpanoramen, die nur auf Homepages präsentiert werden auch kaum Sinn, zunächst mit langer Brennweite und entsprechend vielen Fotos aufwendig ein hoch auflösendes Panorama zu stitchen um es dann auf 18 Megapixel zu skalieren.
Ein Fisheye ist also für diesen Zweck das optimale Setup.
Vielleicht schauen Sie sich unter diesem Aspekt die Panoramen auf unserer Homepage an. Wir geben ja die Dateigröße und die Pixelzahl an, z.B. hier.
(*) Anmerkung: Ich habe der Einfachheit halber bewußt in der Ableitung den Term 1/cos2α unterschlagen und beziehe mich deshalb auf die Bildmitte. Tatsächlich nimmt bei rectilinear abbildenden "normalen" Objektiven die Winkelauflösung zum Bildfeldrand hin zu: Eine Kugel wird am Bildfeldrand radial gedehnt als Ei abgebildet. Diese perspektivische Verzeichnung hat JEDES Objektiv mit rectlinearer Abbildung - auch das teuerste Zeiss Distagon. Diverse Fisheyes mit stereografischer Projektion haben eine ähnliche Eigenschaft - ganz im Gegensatz zum 10,5mm Nikkor: Dieses Fisheye komprimiert das Bild am Bildfeldrand, das heißt, die Winkelauflösung nimmt ab. Näheres dazu (auch Messkurven) finden Sie im Blog-Eintrag hier.
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