Der normale Einstieg in die Panoramafotografie war lange Zeit der Versuch, ein Landschafts-Sujet, das sich mit nur einer Aufnahme nicht abbilden lässt, aus 2 oder 3 Querformat-Aufnahmen zusammenzusetzen. Manche Analog-Fotografen hatten sich für den Zweck sogar drei Projektoren angeschafft. Inzwischen machen Panorama-Neulinge ihre ersten Erfahrungen mit der Sweep-Panoramafunktion, die in Konsumer-Kameras integriert ist.
Egal wie - der horizontale Kameraschwenk mit der Kamera im Querformat ist die Norm beim Einstieg in das Thema.
Der engagierte Panoramafotograf will entweder einen großen Bildwinkel abbilden, oder mit Hilfe der Panoramatechnik die Bildauflösung steigern - oder beides. Dann kommt ein Panoramasystem ins Spiel, bei dem die Kamera üblicherweise im Hochformat verwendet wird. Beim horizontalen Schwenk erfasst das Hochformat einen größeren vertikalen Bildwinkel als das Querformat, und den gewünschten horizontalen Bildwinkel schafft man durch das Aneinanderreihen mehrerer Aufnahmen.
Doch Sujets, die einen vertikalen Schwenk verlangen, gibt es nicht nur in New York und Dubai. Wir nehmen jedoch als Fotografen mehr die horizontalen Sujets wahr - oder sehen die Welt ohnehin nur als Kugelpanorama.
Aber es gibt auch Fotografen, die sich auf vertikale Panoramen konzentrieren und so zum Beispiel Kirchenschiffe als vertikel Panoramen fotografieren. Ich möchte hier dieses Thema aufgreifen um zwei Aspekte bei vertikalen Panoramen zu beleuchten:
- den Vertico Panoramakopf
- die transversale Projektion
Konsequenterweise erscheint es weitaus sinnvoller, für vertikale Panoramen die Kamera nicht im Hochformat, sondern im Querformat zu verwenden. Auch in diesem Fall muss die Kamera um die Eintrittspupille des Objektivs geschwenkt werden. Ein Nodalpunktadapter ist also auch für vertikale Panoramen erforderlich. Am einfachsten ist es, den KISS Nodalpunktadapter zu verwenden und ihn um die horizontale Achse zu rotieren und nicht, wie im "Normalfall", um die vertikale.
Die Konstruktion, die das ermöglicht, ist der Vertico.
Der Vertico ist ein Panoramakopf, auf dem sich jeder KISS NPA befestigen lässt wie auf dem Rotator, nur eben um 90° gedreht.
Der Vertico ist mit einer großen Griffschraube ausgestattet, mit der sich der geschwenkte KISS in jeder Winkelposition fixieren lässt. Um definierte Winkelschritte einstellen zu können, haben wir den Vertico mit einem Indexer ausgestattet. Die Trommel des Indexers ist mit zwei verschiedenen Schrittweiten ausgelegt, normalerweise für 45°-Schritte und 36°-Schritte.
Durch die Anordnung der Kamera im Querformat wird ein horizontal breiterer Bildwinkel erfasst. Der vertikale Bildwinkel wird durch das Aneinanderreihen der Aufnahmen in der Vertikalen bestimmt.
Ein derartiges Setup liefert also bei gleicher Kamera und Brennweite ein horizontal um 50% breiteres Bild als man bei Verwendung eines multi-row-Systems erhalten würde. Der Hebel, mit dem die Kamera am Vertico geschwenkt wird, ist dabei deutlich kürzer als beim MultiRow. Das ganze Setup ist daher wesentlich kompakter und nahezu schwingungsfrei. Das ist wichtig, denn häufig wird man ein vertikales Panorama (ein "Vertirama") auch in Innenräumen machen, z.B. in einem düsteren Kirchenschiff.
A propos Kirchenschiff: Aufgrund der Orientierung der Kamera im Querformat, wird man dafür meist mit einem 20er, 24er oder 28er Weitwinkel (bezogen auf Vollformat) arbeiten. Deutlich mehr als 60 Grad horizontalen Bildwinkel nutzt man da kaum für ein Flächenpanorama, sonst werden die perspektivischen Verzeichnungen störend..
Wegen genau dieser Verzeichnungen ist es auch nicht sinnvoll, für ein Vertirama die normale Flächen- oder Zylinderprojektion zu verwenden. Viel besser geeignet sind da die sogenannten transversalen Projektionen. PTGUI bietet transversale Zylinder-, equirectangulare, Vedutismo- und Merkatorprojektionen an.
Als Fotografen interessiert uns die Mathematik hinter den jeweiligen Projektionen nicht, sehr wohl aber deren Wirkung. Und die ist beeindruckend. Schön ist, dass man in PTGUI schnell verschiedene Projektionen ausprobieren und deren Wirkung beurteilen kann.
Ganz generell kann man sagen, dass es für vertikale Panoramen nicht "die richtige Projektion" gibt, sondern nur eine, die das Sujet beim gewählten Bildwinkel mehr oder weniger entfremdet darstellt. Bis zu einem vertikalen Bildwinkel von 120° liefern alle Projektionen eine gefällige Darstellung des vertikalen Sujets. Zwischen 140° und 180° muß man dann mit Bedacht vorgehen und die Wirkung beurteilen.
Wir sind die bei großem horizontalen Bildwinkel auftretenden Verzeichnungen gewohnt, nehmen sie kaum wahr: Das tägliche Leben spielt sich in voller Breite ab - in einem vergleichsweise geringen vertikalen Bildwinkel. Ein großer vertikaler Bildwinkel erscheint uns jedoch ungewohnt.
Das Vertirama hier zeigt das Kirchenschiff der Martinskirche in Landshut. Es wurde mit der NEX6 und dem rectilinearen 12mm Samyang mit 5 Bildern aufgenommen. Der aufgenommene Bildwinkel beträgt 220°x90°. Der KISS wurde dabei mit Hilfe des Vertico geschwenkt. Das Panorama wurde als transversale Vedutismo-Projektion in schwarz-weiß ausgegeben. Es zeigt einen Bildwinkel (Ausschnitt) von 120°x80° - und keine störenden Verzeichnungen.
Die Wirkung dieser Projektion entspricht der tatsächlich empfundenen Höhe des Kirchenschiffs. In kaum einem bebilderten Kirchenführer finden sich bislang derartige Aufnahmen. Dabei sind sie mit den hier beschriebenen Mitteln wirklich leicht herzustellen.
Übrigens: Die Vertikale hat in der Martinskirche Tradition. Nicht nur das Kirchenschiff betont die Vertikale durch die Höhe und die schlanken Formen. Der Turm dieser Basilika aus dem 16. Jahrhundert ist mit über 130 Metern Höhe der höchste Backsteinturm der Welt und der höchste Kirchturm in Bayern.
Neuen Kommentar schreiben