Blog-Eintrag

Warum eigentlich Panorama ?

Bei den Laupheimer Fototagen kam ein Besucher an unseren Stand und erklärte mir, wie er Panoramen macht: Er nimmt eine Weitwinkelaufnahme und schneidet oben und unten einen Streifen ab. Klasse ! Einfacher geht's nicht !
Für ihn ist ein Panorama einfach ein Bild mit einem Bildformat 3:1 oder 4:1.

In einschlägigen Foren im Internet wird häufig suggeriert, ein Panorama sei immer ein voll sphärisches mit 360° x 180° Bildwinkel. Dennoch sind solche Kugelpanoramen nur ein Teil, ein Aspekt der Panoramafotografie.

So habe ich aus dem Urlaub letzte Woche auf Ischia viele "Breitbilder" mit 100...180° horizontalen Bildwinkel für's Fotobuch mitgebracht, alle unterwegs aufgenommen mit dem KISS auf dem Einbeinstativ. 

Zu unseren Kunden zählen zahlreiche Profifotografen, die mit Ihrer 5DMk3 oder D800 die Panoramatechnik nutzen, um Bilder mit sehr hoher Auflösung zu generieren. Viele ambitionierte Fotografen arbeiten genauso mit Ihrer Leica-M oder der Fuji-X. Anstelle einer Phase One Mittelformatkamera mit Digitalrückteil zum Preis eines Mittelklassewagens kaufen sie sich lieber ein genau konfiguriertes Panoramasystem und fertigen mit Normalbrennweite hoch auflösende Flächenpanoramen in single-row-Technik an.

Andere Panoramafotografen spezialisieren sich auf Architekturfotografie und nutzen die Möglichkeiten der Panoramatechnik, ein Flächenpanorama mit großem horizontalen Bildwinkel (100°...160°) in einer ungewöhnlichen Projektion darzustellen, ganz im Stil der venetianischen Maler (Vedutisten) im 17. Jahrhundert. 

Die verbindliche Definition, was ein Panorama ist, gibt es wohl nicht.
Für mich ist ein Panorama ein Bild mit einem ungewöhnlich großen Bildwinkel, einem Bildwinkel, der größer ist als der der visuellen Wahrnehmung (ohne dass man die Augen bewegt).

Der Bildwinkel des menschlichen Auges ist so einfach gar nicht zu beschreiben. Wir sehen nur im mittleren Bereich des Gesichtsfelds farbig "RGB" und mit hoher Auflösung. Nach außen hin nimmt die Farbempfindlichkeit ab und am Bildfeldrand sehen wir nur schemenhaft schwarz-weiß. Der horizontale Bildwinkel für farbiges Sehen mit beiden Augen beträgt nur etwa 100°. Das Auge und dessen Bildwinkel ist hier gut verständlich beschrieben. 

Egal ob wir mit Tele-, Normal- oder Weitwinkelobjektiv fotografieren, (fast) immer handelt es sich um rectlinear abbildende Objektive. Sie generieren auf der Film- bzw. Sensorebene eine gnomische Abbildung des Sujets, ein nur verkleinertes zweidimensionales Abbild, das sich dadurch auszeichnet, dass alle Geraden im Bild auch Geraden bleiben. Fisheye-Objektive dagegen bilden nicht rectilinear ab. Sie bilden Geraden als Kreisbögen ab, nur Mittelpunktsgeraden als Geraden (eigentlich Kreisbögen mit Radius unendlich).

Die Abbildungsgleichung rectlinearer Objektive lautet R=f·tanα. Ein Lichtstrahl, der unter einem Winkel α zur optischen Achse ins Objektiv fällt, wird auf dem Sensor in einem Punkt abgebildet, der den Abstand R vom Sensor-Mittelpunkt hat (genauer: von dem Schnittpunkt der optischen Achse mit der Sensorebene). Der Faktor f ist die Brennweite des Objektivs. Für den Bildwinkel 2α gilt entsprechend 2α=arctan(R/f). Setzt man für R den Radius des Bildkreises ein, errechnet man den diagonalen Bildwinkel eines Objektivs mit Brennweite f. Dieser wird in der Regel im Datenblatt des Objektivs angegeben. So gibt Nikon für das neue 20mm G-Nikkor einen (diagonalen) Bildwinkel von 94° am Vollformat und 70° am DX-Format (APS-C) an. Will man wissen, welchen horizontalen Bildwinkel man mit der Linse an einer D800 (84°) oder welchen vertikalen an der D5300 (42°) einfängt, muss man rechnen. Hier habe ich die 3 Bildwinkel (diagonalen DFOV, horizontalen HFOV und vertikalen VFOV) für das Vollformat und den Brennweitenbereich <50mm dargestellt.

Bildwinkel und Brennweite

Ein 14mm-Objektiv (z.B. das Canon ES f3,5/14mm) bringt also an der Canon 5DMk2 einen horizontalen Bildwinkel von 104° - etwa den Bildwinkel, den wir visuell wahrnehmen. Mir sind nur zwei rectlineare Objektive mit einem noch größeren Bildwinkel bekannt: Das legendäre 13mm Nikkor ("Holy Grail") und das Sigma Weitwinkel-Zoom 12-24mm DG HSM II. Meines Wissens ist letzteres das derzeit weitwinkligste, rectilineare Objektiv am Markt. Es ist denkbar, dass inzwischen mit stark asphärischen, hochbrechenden Linsen noch das eine oder andere Grad mehr Bildwinkel machbar sind - aber wozu ? Ein größerer Bildwinkel kann ja ganz einfach durch die Panoramatechnik erfasst und zu einem Bild verarbeitet werden.

DehnungDie rectilineare Abbildung hat zwangsläufig die unangenehme Eigenschaft, dass die Bildinformation zum Bildrand hin gedehnt abgebildet wird.
Nehmen wir eine Glaskugel, sagen wir eine kugelförmige Lampe, die wir mit einem Weitwinkelobjektiv aus einem größeren Abstand fotografieren, so dass sie, sagen wir 20 mal in die Bildbreite passt. In der Bildmitte wird die Lampe exakt als Kugel abgebildet. Schwenken wir die Kamera, so dass sich die Lampe am Bildrand befindet, wird sie gedehnt, also größer abgebildet als in der Bildmitte und erscheint leicht eiförmig auf dem Bild: Die Randfiguren der großen Hochzeitsgesellschaft haben lange Nasen auf der Weitwinkelaufnahme.
Die rectilineare Linse verhält sich so, als hätte sie eine im Bild nach außen zunehmende Brennweite. Das bereits genannte 20mm Nikkor dehnt das Bild zum horizontalen Bildrand hin um Faktor 1,8 - so, als hätte es am Bildrand 36mm Brennweite. Diese Eigenschaft ist kein Linsenfehler ("Verzeichnung"), sondern eine völlig normale Eigenschaft, die eben typisch ist für die rectilineare Abbildung. Genau genommen ist nur eine Abweichung von dieser Eigenschaft eine Verzeichnung. Allerdings sprechen Fotografen meistens von Verzeichnung, wenn sie genau diese Dehnung meinen.
Solange dieser Effekt nicht zu stark ist, also bei 35...24mm-Objektiven am Vollformat, empfinden wir es noch als normal. Wir haben uns daran gewöhnt. Dagegen empfinden wir eine Abbildung als anormal, wenn sie mit einem Fisheye-Objektiv wie dem 8mm Sigma aufgenommen wurde. Dabei hätte dann die genannte Lampe am Bildrand exakt den gleichen Durchmesser wie in der Bildmitte und wäre überall exakt kreisförmig. Nur wären dann alle Geraden im Motiv gekrümmt abgebildet.

Nimmt man ein Sujet mit großem Bildwinkel mit einem 14mm-Ultraweitwinkel auf, tritt die beschrieben Dehnung am Bildrang zwangsläufig deutlich sichtbar auf. Fotografiert man das gleiche Sujet mit einer längeren Brennweite, sagen wir 50mm als multi-row-Panorama und stitcht die Bildserie zum Flächenpanorama mit der rectilinearen Projektion, zeigt das Panorama genau die gleiche Dehnung !
ABER erstellt man dieses Panorama mit einer Zylinderprojektion (oder Mercator- oder Vedutismo-Projektion), ist die Dehnung deutlich reduziert oder ganz "korrigiert".
Gute Stitching-Programme wie Hugin, PTGUI, Autopano u.a. bieten diese Projektionen an.
In dem Blog "Perspektive und Sichtweise" habe ich die Vedutismo-Projektion bereits ausführlich beschrieben.

Auf die Frage "Warum eigentlich Panorama ?" gibt es nicht nur eine Antwort.
Der horizontale Bildwinkel rectilinearer Objektive ist bei etwa 100° limitiert, so dass es nicht gelingt ein Panorama mit nur einer Aufnahme anzufertigen - auch nicht, wenn man mit der Schere oben und unten einen Streifen abschneidet.

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