Grobschlächtig - dieses Wort fiel mir in dem Moment ein, als ich die brandneue Samsung NX1 die Tage in die Hand nahm. Grobschlächtig ist ein Adjektiv, das man heute kaum mehr hört. Es bedeutet soviel wie grob, derb, unbeholfen aber auch klobig, klotzig, plump, unförmig.
Die deutsche Sprache verändert sich ständig. Neue Begriffe werden geprägt und finden Einzug in die Sprache und den Duden während andere kaum mehr verwendet werden und allmählich aus dem Sprachgebrauch verschwinden, so wie "grobschlächtig". Man denkt sich das vielleicht noch, aber man sagt es nicht. In Bezug auf die Samsung NX1 sollte man stattdessen wertfrei und korrekt sagen "ein eigenständiges Design". Na ja, wie auch immer.
Am Wochenende teilte mir ein Kunde aus Köln mit, dass er am Montag mit der nagelneuen NX1 und dem neuen Samsung Fisheye im Gepäck nach München kommt um für die NX1 einen SLANT "anmessen" zu lassen. Er hatte eine der ersten NX1en, die in Deutschland in den Verkauf kamen, erworben.
Auf DIE Kamera, besser gesagt auf den S5KVB2-Sensor der NX1 war ich richtig gespannt. Die NX1 ist der erste Sproß der 4. Generation von Samsung NX-Kameras. Bei ihr wurde der erste und bislang einzige kommerziell verfügbare APS-C-Sensor in BSI-Technologie verbaut.
BSI steht für "backside illuminated" - also ein Sensor, der quasi von hinten belichtet wird. "Hinten" bezieht sich auf die Siliziumscheibe, auf der der Sensor hergestellt wird. Im Halbleiterprozess werden die einzelnen Schichten "vorne" auf dem Wafer aufgebaut und strukturiert. Die lichtsensitiven, aktiven Schichten, also p- und n-dotierten Bereiche jedes Pixels, liegen dabei ganz unten in dem 3D-Aufbau des Pixels, während fast ein Drittel der Fläche jeder Zelle durch die weiter oben liegende Verdrahtung in Anspruch genommen wird. Belichtet man ein Pixel von oben ("vorne"), wird also ein Teil der Pixel-Fläche gar nicht belichtet. In der BSI-Technologie schleift man den Silizium-Wafer von unten her bis auf ca 30 Mikrometer (Haar-Durchmesser) sehr gleichmäßig weg. Der dünngeschliffene Wafer mit den BSI-Sensoren wird dann auf der Rückseite mit Microlenses und RGB-Bayer-Pattern versehen. Erst danach wird der Wafer in die einzelenen Chips gesägt. Der Sensor-Chip wird dann so in das Gehäuse eingebaut, dass eben die Rückseite belichtet wird. Bei der Belichtung von hinten kann bei gleicher Pixel-Fläche mehr aktives Gebiet belichtet werden, weil die Verdrahtung dann nicht abschattet. Das Bearbeiten der dünn geschliffenen Scheibe und der hauchdünnen Chips ist extrem schwierig und der einzige Grund, weshalb bislang diese Technik nur bei kleinen Sensoren eingesetzt wurde. Die bislang größten BSI-Sensoren hatten 1"-Format. (Mehr dazu hier.)
Die NX1 ist jedenfalls das neue Flaggschiff von Samsung in Sachen Systemkamera - sorry, "Profi-Kamera".
Was zeichnet eine Profi-Kamera aus ?
- stabiles, ergonomisches Metall-Gehäuse
- Fokus, Zeit, Blende, ISO ... bei Bedarf alles manuell steuerbar
- großes, helles Sucherbild ohne Delay
- schneller und genauer Autofokus
- mechanischer Verschluß mit kurzer Belichtungszeit
- (punkt-)genaue Belichtungsmessung
- sehr gute Sensorqualität
- hochwertiges Objektivsortiment
- umfangreiches Systemzubehör
- ....
- Haptik und Design
- ....
Die Liste der Anforderungen an eine Profikamera ist lang.
In Sachen Stabilität kann das Magnesiumgehäuse der NX1 auf jeden Fall punkten.
Die Systemkamera kann auch gut manuell gesteuert werden. Der Hybrid-Autofokus an dem kleinen Fisheye und dem kleinen Powerzoom Kit-Objektiv arbeitet schnell, genau und leise. Und die Belichtungsmessung gefällt ohne Beanstandung.
Und der Sensor - Wow, der absolute Hammer !
Und ich bin da von meiner D800 wirklich verwöhnt !
Der APS-C-Sensor der NX1 liefert eine enorme Auflösung von 6480 x 4320 Pixel (28M) bei geringstem Rauschen. Die Seitenlänge des Pixels ist zwar mit 3,6μm eher klein. Aber wie Napoleon schon sagte: Entscheidend ist nicht die Länge, sondern die Größe. Entscheidend für die Bildqualität, insbesondere Tonwertumfang und Rauschverhalten, ist die Kapazität der Photodiode. Und diese ist bei einer BSI-Zelle deutlich größer als bei den konventionellen FSI-Sensoren.
Fakt ist: Die Bildqualität ist SUPER ! Man erkennt die Klasse dieses Sensors beim ersten Bild, selbst im JPG. Diesbezüglich muss sich die NX1 nicht hinter meiner D800 verstecken.
Mit der NX1 bekam ich auch gleich ein neues Fisheye auf den Tisch, das neue Samsung 10mm Fisheye. Ich denke, ich kenne jedes Fisheye auf den europäischen Markt. Aber ein derart unscheinbares Glas, pardon, "Gläschen", gerade mal 71 Gramm leicht (Ultraschall-Autofokus inklusive) und flach wie ein 20mm Lumix MFT-Pancake, das gab es bisher nicht.
Was soll das schon taugen - das war mein erster Gedanke.
Nach dem Vermessen der Kamera habe ich hier im Büro zunächst ein schnelles Panorama in JPG aufgenommen und gestitcht. Wie bei Fisheyes üblich, wollte ich dann zunächst die Vignettierung, also den Lichtabfall zum Rand hin, in PTGUI kompensieren. Aber da war nichts. Es gibt keinen messbaren Lichtabfall. Das heißt, es gibt ihn schon, den muss es geben, aber die Kamera korrigiert den automatisch. Da auch keinerlei CA (chromatische Aberration) festzustellen war, gehe ich davon aus, dass die NX1 auch diese gleich mit korrigiert. Ob die Korrektur bereits im RAW berücksichtigt ist oder erst im JPG auftaucht, konnte ich nicht überprüfen. Auf unseren Macs haben wir im Moment noch keinen RAW-Konverter für das Samsung RAW-Format laufen. *) siehe Nachtrag unten.
Die kleinen Verzeichnungsparameter a, b und c, die PTGUI errechnet, sind ein Hinweis darauf, dass es sich bei der Abbildung um eine flächentreue Projektion handelt mit f=10,4mm.
Der diagonale Bildwinkel im 3:2-Format beträgt fast 180 Grad, so dass völlig problemlos im slanted mode ein vollständig geschlossenes 360°x180°-Panorama mit 8 Aufnahmen single-row angefertigt werden kann. Der fisheye-typische Nodalpunktgang ist sehr moderat und fällt in der Praxis nicht auf. Aufgrund der sehr hohen Sensorauflösung hat das voll sphärische Panorama mit der NX1 generisch 17200 x 8600 Pixel. Mit dieser beeindruckenden Auflösung zeigt die NX1 Flagge.
Das Flaggschiff.
Der Kamera-Body ist funktional ok, aber er wirkt recht langweilig und plump. Ein echt koreanisches Design halt. Gemacht für ausgewachsene Männerhände. Aber die inneren Werte überzeugen. Auch Sucher und AMOLED Display sind sehr gut. Und ganz nebenbei filmt die NX1 auch noch in 4k.
Zum Profi-Werkzeug wird es wohl dennoch nicht reichen, schon in Ermangelung einer geeigneten Objektivpalette. Ein Glas à la Zeiss Touit gibt es für die NX (noch) nicht.
Das 10mm Fisheye ist eine echte Überraschung und für Panoramafotografie mit der NX1 perfekt. Das sehr lichtschwache 16-50mm Powerzoom Kit-Objektiv dagegen ist eines 1500-Euro-Bodies in keiner Weise würdig. Ja richtig: die Kamera muss sich in der 1500€-Klasse mit einer Fuji X-T1 messen - und dann entscheidet für den Kunden nicht allein der Sensor - der bei der X-T1 ja auch nicht ohne ist. Dann werden alle Merkmale einer "Profi-Kamera" betrachtet - nicht zuletzt auch das Design. Und da liegen zwischen diesen beiden Systemkameras Welten.
Der Begriff "grobschlächtig" wird bald ganz aus dem Sprachgebrauch verschwunden sein.
Vermutlich noch schneller wird die NX1 wieder vom Markt verschwinden.
Aber zwischenzeitlich wird sie - nach dem gleichen Preisverfall wie bei all ihren NX-Schwestern - als Panoramakamera richtig attraktiv werden, zumindest mit dem 10mm Fisheye.
*) Nachtrag 17.12.2014
Inzwischen haben wir ein Lightroom 5-Update installiert und die RAW-Files der NX1 einlesen können. Man erkennt im RAW einen Hauch von Chromatischer Aberration, den Lightroom auf Knopfdruck eliminiert. Nach dem Konvertieren der RAWs in 16 bit Tif erkennt PTGUI eine leichte Überkompensation des cos4-Lichtabfalls in den TIFs und kompensiert den ebenfalls auf Knopfdruck.
Beides war in den JPGs, die die NX1 liefert, nicht aufgefallen.
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