Dieses Wochenende wirbt Garmisch Classic im Münchner Merkur mit dem schwarzen Text "Schwärzer als Schwarz" auf schwarzem Grund für den Ski-Weltcup und das 61. Kandahar-Rennen. Für 40€ Eintritt kann dort der Zuschauer ... bei lässiger Musik ... auf Tuchfühlung mit dem Mythos Kandahar gehen... und mit etwas Glück live miterleben, wenn's die waghalsigen Rennläufer auf der äußerst anspruchsvollen, künstlich vereisten WM-Abfahrt mit bis zu 92% Gefälle "z'legt".
Diese Werbung liest sich fast makaber im Sinn von Reinhard Fendrichs Es lebe der Sport: … wenn einer bei der Zwischenzeit sich zwanglos von n'em Ski befreit, und es ihn in die Landschaft steckt, dass jeder seine Ohr'n anlegt … und liegt ein Körper regungslos im Schnee, schmeckt erst so richtig der Kaffee… (http://www.youtube.com/watch?v=oEuatEIRIzI)
In Skigebieten markiert der Farbcode die Schwierigkeit der Abfahrt: Blau (Autobahn), rot (sportlich) und schwarz (anspruchsvoll). Aber Schwarz ist eigentlich keine Farbe.
In unserer visuellen Wahrnehmung und erst recht in der Fotografie steht schwarz für "kein Licht".
Es ist also gar nicht so leicht, schwarz zu sehen. Eine schwarze Fläche selbst schwach beleuchtet scheint nur dunkelgrau. Für richtiges Schwarz braucht es eine Lichtfalle, so wie auf der Unterseite des Spyder Cubes.
Schwärzer als schwarz - im Bereich der Physik und Fotografie gibt es das nicht.
Im Bereich der Analogfotografie war mit der Schwärzung der Emulsion Schluss, wenn jedes Silberhalogenidkorn zu Silber reduziert war. Dann war der Film oder das Fotopapier tief schwarz. Zu Zeiten der Analogfotografie haben anspruchsvolle Fotografen die Belichtung und Entwicklung des Films mithilfe des Zonensystems optimiert. Ein derart optimal entwickelter Schwarzweißfilm kann einen Tonwertumfang von 11 Blendenstufen darstellen. Heutzutage verlassen sich sicher weit über 90% der Knipser und Fotografen auf die automatische Belichtungsmessung und den Weißabgleich Ihrer Digitalkamera. Nur die wenigsten justieren Belichtung und Weißabgleich in den RAW-Files über Kameraprofile in Lightroom o.ä.
Doch was passiert, wenn man bei der Digitalkamera den Objektivdeckel auf's Objektiv macht, so dass sicher kein Licht auf den Sensor kommt wenn man auslöst, sagen wir mit 1/4000 Sekunde ?
Schwarz !
Sucht man dann das "Bild" in 1:1 oder besser 3:1-Darstellung ab, findet man vielleicht ein leuchtendes Pixel, ein sogenanntes hot Pixel. Hot Pixel leuchten immer und sind ein Punktdefekt im Sensor. In der Regel ist das nichts Dramatisches. Alles andere IST schwarz.
Anders schaut es aus, wenn man mit geschlossenem Objektivdeckel lange belichtet, sagen wir 30 Sekunden und möglichst mit hohem ISO-Wert. Was man dann in 3:1 vergrößerter Darstellung sieht, erinnert unter Umständen an den Sternenhimmel einer sternklaren Nacht:
Weißt du wieviel Sternlein stehen ?
Millionen dunkelfarbige Pixel, das Bild ist alles andere als schwarz.
Was wir da sehen ist das Rauschen des Sensors.
Dieses Rauschen limitiert den Dynamikumfang des Sensors und damit den Kontrast und die Auflösung der Kamera.
Um das sinnvoll nachzuvollziehen, geht man folgendermaßen vor:
- Objektivdeckel drauf
- Bei DSLR Augenmuschel am Sucher verschließen
- RAW einstellen
- ISO und lange Belichtungszeit einstellen
- im Kameramenü Rauschunterdrückung deaktivieren
- auslösen
- RAW nach Lightroom importieren
- im Entwicklungsmodus auf S/W stellen
Jetzt kann man sich die Aufnahme mit der 3fach-Lupe anschauen.
Mehr Information bringt das Histogramm.
Um das Rauschen besser sichtbar zu machen, ziehe ich in Lightroom den Belichtungsregler ganz nach rechts auf +5 und steile im Histogramm die Gradation auf. So lassen sich verschiedene Kameras bzw. Sensoren vernünftig vergleichen.
Das Rauschspektrum wird dadurch stark gedehnt: Hat man die Aufnahme mit 30 Sekunden Belichtungszeit und ISO800 Einstellung an der Kamera gemacht, wird das Rauschspektrum 32fach verstärkt, als hätte man mit der selben Belichtungszeit bei ISO25600 belichtet. Entsprechend tritt das Rauschen auch als deutlich sichtbarer Sternenhimmel in Erscheinung.
Bilder: Nikon P7700 links: ISO800, Bild rechts: ISO100
Zur Erläuterung: Was passiert eigentlich beim Fotografieren ?
Beim Fotografieren mit der Digitalkamera werden unmittelbar vor dem Belichten die Pixel alle geleert: Sie stehen alle auf null (=schwarz).
Beim Belichten trifft eine gewisse Lichtintensität eine Zeit lang auf jedes Pixel. Jedes Photon (kleinste Einheit einer Lichtmenge, so etwas wie Licht-Teilchen) generiert in der Pixel-Zelle ein Elektronen-Loch-Paar, also eine (Elementar-)Ladung. Die insgesamt in der Zelle generierte Ladungsmenge korreliert also mit der eingefallenen Lichtmenge, also der Helligkeit an der Position des Pixels. Die Helligkeitsverteilung ("das Bild") generiert also auf der Sensorfläche eine entsprechende Ladungsverteilung.
Am Ende der Belichtung wird die Ladung jedes Pixels gemessen. Die Adresse (=die Position) jedes Pixels und der darin gemessenen Ladung wird dann auf der Speicherkarte abgespeichert.
Jede Pixelzelle eines Sensors hat die gleiche Kapazität, kann also maximal (ungefähr) gleich viel Ladung speichern. Diese sogenannte full well capacity hängt entscheidend von der Pixelfläche ab. Sie wird technisch sinnvoll in Einheiten von Elementarladungen spezifiziert und beträgt typisch in der Größenordnung 10000…100000 Elektronen.
Betrachten wir als high-end-Beispiel die Nikon D800: Die full-well-Kapazität des D800-Sensors beträgt knapp 45.000 Elektronen(-Ladungen).
Wenn also an einer Zelle dieser Wert gemessen wird, wurde sie mit der maximal möglichen Lichtmenge belichtet, der Tonwert ist sozusagen "rein weiß".
Werden ca. 10.000 Elementarladungen gemessen, entspricht der Tonwert dem hellen Grau der Graukarte.
Fotografiert man mit verschlossenem Objektiv, kommt kein Licht auf den Sensor. Die gemessene Ladung ist null, es werden also überhaupt keine Elektron-Loch-Paare gebildet. Der Tonwert ist "schwarz".
Theoretisch.
Wäre da nicht das Rauschen.
Unter Rauschen versteht man die Streuungen, also Toleranzen, mit denen das Ergebnis der Ladungsmessung behaftet ist.
Das Rauschen setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Die drei wesentlichen sind: Die Streuung der Anzahl der Photonen "photon noise", dem thermischen Rauschen bei der Elektron-Lochpaar-Generierung "thermal noise" und der Streuung bei der Ladungsmessung "read noise".
Photon noise hängt entscheidend von der einfallenden Lichtmenge ab. Bei der Lichtmenge "null" (geschlossenes Objektiv) ist auch der Wert der Streuung null.
Thermal noise und read noise bilden einen Sockelbeitrag, der von der Temperatur, der Belichtungszeit, der ISO-Einstellung und den für den Sensor typischen Eigenschaften abhängt. Man kann also das Rauschverhalten verschiedener Kameras (auch quantitativ) vergleichen, wenn man bei gleichen Einstellungen und Raumtemperatur mit geschlossenem Objektiv fotografiert. Im Fall des D800-Sensors beträgt dieser Rausch-Sockel bei Raumtemperatur, ISO 100 und kurzer Belichtungszeit ca. 5-6 Elektronen.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird also beim Fotografieren mit kurzer Belichtungszeit und geschlossenem Objektivdeckel keine Null (= wirklich schwarz) ausgelesen, sondern (Beispiel D800) eine 5, der Wert für sehr, sehr dunkles Grau. Bei langer Belichtungszeit nimmt der thermische Beitrag stark zu, so dass dann durchaus auch sichtbare Grauwerte bzw. (gemäß Bayer-Pattern) interpretierte Farbwerte sichtbar werden.
Tricky: In der RAW-Entwicklung einer normalen Aufnahme kann man in Lightroom den Schwarzpunkt anpassen. Man verschiebt den Schwarzregler um 5-6 Punkte nach rechts und kappt so diese immer vorhandene Rauschkomponenten. Die schwarzen Pixel bleiben schwarz - denn schwärzer als schwarz geht nicht.
Mit diesem Verständnis lässt sich übrigens der maximal mögliche Dynamikumfang für jeden Sensor errechnen, wenn die full-well-capacity und die Charakteristik des read-noise bekannt sind.
Der Sensor kommerzieller high-end-Kameras wie der D800 liefern einen Dynamikumfang bei ISO100 von 13 bit.
Also: Der Sensor der Digitalkamera liefert in der Praxis kein sauberes Signal für echtes Schwarz.
Man kann aber nachträglich in der RAW-Entwicklung des Schwarzpunkt mit Hilfe des Histogramms einwandfrei festlegen.
Der Dynamikumfang des Sensors ist über die full well Kapazität und die Rauschcharakteristik des Sensors definiert.
Man kann das Rauschverhalten des Sensors sichtbar machen. Eine Methode, die vergleichbare Ergebnisse liefert, ist hier beschrieben.
Spitzensensoren im kommerziellen Bereich wie der der Nikon D800 erreichen derzeit einen Dynamikumfang von 13 Blendenstufen, also 13 bit bei ISO100.
P.S.
Ich wünsche den Rennläufern des 61. Kandahar-Rennens, dass Sie alle heil ins Ziel kommen.
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