Blog-Eintrag

Kritisch ist nur der "Nahpunkt"

Ich erinnere mich gut an einen Besucher unseres Messestandes, der Nodalpunktadapter und Panoramaköpfe für überflüssiges Zeug hielt, denn schließlich mache er wunderschöne Panoramen vom Berggipfel aus der Hüfte. Nun ja, dagegen ist nichts zu sagen.  Wenn der nächstgelegene Berggipfel 3km entfernt ist, geht das tatsächlich. Es ist eben eine Frage der Genauigkeit - und der Tiefenstaffelung.
Ich will heute diese Erfahrung mathematisch fundiert darstellen - und komme auf ein Ergebnis, das auch mich überraschte. 

Die Frage, wie genau denn der Nodalpunkt einzustellen ist, beschäftigt irgendwann jeden Panoramafotografen. Die praktische Erfahrung hat uns gelehrt, dass das bei langen Brennweiten und großen Abständen alles unkritisch ist, dass aber 2mm Offset bei Sujets mit viel Tiefe aufgenommen mit dem Fisheye bereits zu viel sind. "Zu viel" heißt, der Parallaxen-fehler ist mehrere Pixel groß und deutlich sichtbar.
Will man den Parallaxenfehler mathematisch formulieren, bietet es sich an, ihn als Bruchteil der (Sensor-)Kantenlänge auszudrücken, z.B. 1‰ oder 2‰ der Kantenlänge. Bei einem Promille ist er etwa doppelt so groß wie der maximale Kontrollpunktfehler eines in RAW einwandfrei gestitchten Panoramas. Das macht Sinn.
Nur, wie kommt man da hin - und wovon hängt der Fehler tatsächlich wie ab ?  

Skizze zur RechnungEigentlich ist das gar nicht so schwer zu berechnen.
Die Skizze soll das verdeutlichen.
Wir betrachten nur 2 überlappende Aufnahmen, aufgenommen mit einem Drehwinkel α und einer Kamera, die nicht um den Nodalpunkt (NPP) gedeht wurde, sondern um das Stativgewinde, das sich unter der optischen Achse im Abstand "o" (wie offset) hinter dem NPP befindet. Die erste Aufnahme zeige nach Nord-Westen, die zweite Aufnahme nach Nord-Osten.

Im Überlapp-Bereich genau im Norden soll der nächstgelegene Detailpunkt, der Nahpunkt liegen, und direkt dahinter noch weiter im Norden der Fernpunkt. In der fotografischen Praxis liegt der Fernpunkt meistens im Unendlichen. Würden wir mit der optischen Achse genau nach Norden fotografieren, fielen Nahpunkt und Fernpunkt auf dem Bild zusammen - Nodalpunktposition hin oder her. Würde die Kamera - anders als hier skizziert - um die Position der Eintrittspupille rotiert, fielen Nahpunkt und Fernpunkt immer zusammen. So sollte es sein.

Doch nun zur falschen Aufnahmesituation in der Skizze. Auf der ersten Aufnahme wird der Nahpunkt rechts vom Fernpunkt abgebildet. Bei der zweiten Aufnahme liegt dann der Nahpunkt links vom Fernpunkt. Die Summe dieser beiden Distanzen ist der Parallaxenfehler, der am Nahpunkt in unserem Panorama auftritt.
Mit Hilfe der Skizze kann man leicht herleiten, dass für den parallaktischen Winkel δ generell folgendes gilt:  

tanδ = (sinα/2)/((n/o)-cosα/2)

Der Drehwinkel α richtet sich nach der Brennweite des Objektivs, bzw. den horizontalen Bildwinkel  der Kamera (FoV, hier als blaue Fläche gezeichnet). Gehen wir für die weitere Berechnung von 25% Bildüberlapp aus, dann gilt: α=0,75∙FoV. Damit und mit der bereits genannten 1‰-Regel für den zulässigen Parallaxenfehler lässt sich dann der parallaktische Winkel aus obiger Formel eliminieren und es gilt:

n/o = sin(3/8FOV)/tan(FOV/2000)+cos(3/8FOV)

Das heißt, der zulässige Offset o (also die Toleranz der Nodalpunktposition) ist proportional zur Distanz zum Nahpunkt. Also: je geringer die Distanz zum Nahpunkt, desto kritischer ist die Nodalpunktposition. Das entspricht genau der Erfahrung. Die Parameter Sensorgröße, Brennweite und auch der zulässige Fehler (1‰) sind in dem Proportionalitätsfaktor über die Winkelfunktionen berücksichtigt.

Tatsächlich überraschend ist, wie wenig dieser Faktor variiert, wenn man verschiedene Werte für den Bildwinkel einsetzt. Man kann sich den Bildwinkel entweder selbst aus der jeweiligen Brennweite errechnen oder nimmt den Pano-Calculator auf dem Netz. Der Proportionalitäts-faktor variiert nur gering, egal, ob man eine rectilinear abbildende Optik oder ein Fisheye zugrunde legt. Der Faktor liegt für realistische Brennweiten und Sensorgrößen im Bereich 1,7....1,3 mm/m. So kann man sich's merken:  o/n ≈ 1,5 mm/m.
Im Klartext: Die erforderliche Genauigkeit des Nodalpunktabstands hängt im Wesentlichen nur von der Distanz zum Nahpunkt ab. WOW !

Ist der Nahpunkt eines Panorama-Sujets nur 33 Zentimeter weit weg, muss die Nodalpunkt-position auf einen halben Millimeter genau stimmen. Bei 10 Metern Entfernung reichen 15 Millimeter - und bei besagtem Berggipfelpanorama aus der Hüfte reicht bereits eine Armlänge. 

Anmerkung:  Diese Herleitung samt Formeln wurden meines Wissens bislang nirgendwo veröffentlicht. Auch keines der existierenden Panorama-Fachbücher geht quantitativ auf die Frage ein, wie genau eine Nodalpunktposition stimmen muss.
Dabei ist das doch recht einfach, oder ?

Anmerkung 2: ich wurde von mehreren aufmerksamen Lesern darauf aufmerksam gemacht, dass ich in der Formel einen "Dreher" o/n anstatt n/o hatte. Bei der Umsetzung meiner Rechnungen auf Powerpoint war mir da ein Fehler unterlaufen. Ich bedanke mich für diesen Hinweis und habe den Fehler in der Lightbox-Darstellung jetzt korrigiert.

Kommentare

Das ist ja nett, genau 4 Stunden bevor ich in der panorama-community die Frage nach der Genauigkeit des Nodalpunktes gestellt habe, hatten Sie diesen Blogeintrag veröffentlicht.

Schön, dass ich Ihn jetzt gefunden habe. Vielen Dank. Meine groben Berechnungen ergaben ähnliches.

Bei meiner Konstruktion ist das noch ein wenig gewagter, da ich mehrreihige Kugelpanoramen vom Einbeinstativ aus mache. Da ist der seitliche Versatz und der nach vorne oder hinten ja unabhängig von einander. Da kommt es dann auch noch zu Größenunterschieden bei nah entfernten Objekten.

Dieser Effekt tritt jedoch auch auf, wenn man versetzt von dem mittigen Bildüberlapp überblendet. Das dürfte vor allem bei Fisheyeobjektiven relevant sein, wenn man z.B. bewegte Personen wegmaskiert.

Sicherlich ist auch relevant, wie genau die Stitching-Programme die Verzeichnung des Objektivs ermitteln und heraus rechnen, denn manche Objektive haben ja vor allem im Ultraweitwinkelbereich sehr ungleichmäßige Verläufe von der Bildmitte bis zum Rand.

Richard

Auch für mich war es sehr erfreulich, dass ich gestern auf den Laupheimer Fototagen mit dem Autor dieser Seite endlich mal jemanden gefunden habe, der klare qualitative und quantitative Aussagen zu den Hintergründen der Panoramafotografie machen konnte. Von den Veröffentlichungen auch renommierter Autoren und Firmen wurde ich diesbezüglich bisher enttäuscht. Solche Informationen machen dem engagierten Fotografen Mut Neuland zu betreten. Und nicht hunderte von Seiten, nach deren Lektüre einem immer noch die wichtigsten Grundlagen fehlen.

Dieser Arntikel von Herrn Hopf bringt doch endlich mal Mathematisch die Dinge ins rechte Lot, nur wer versteht schon so viel von den Formeln in der Optik zu diesem Thema.

Schon früh, als ich noch aktiver Jungfilmer bei Werbespots und Feature Filmen mit einer Computergesteuerten Kamera herumoperierte, war beim Schwenken der Kamera in Richtung Pan- und Tilt die Priorität des Nodal Point bekannt, wenn es sich um Front-Projektion im Studio handelte oder die Aufnahmen später in eine 3D Welt eingepasst werden mussten. Ja da war dann dieser oder jener Experte, der sich dann mit Kamera und angelieferter Optik in seinem Kämmerlein eingeschlossen hatte und mit viel Geheimniskrämerei selbst Zoom-Objektive mit gebauten Korrekturschienen am Kamerakopf im Nodal Point hielt. Diejenigen die solche Erfahrungen aber nicht hatten, haben sich aber anders geholfen, intensiver und genauer als heute in der Panoramawelt möglicherweise notwendig .
Hier ein Beispiel. Lampenstative und derer mindestens vier Stück wurden in einer Linie vor der Kamera plaziert. das erste ganz dünne so nah wie möglich vor die Linse, ohne dass damit der Blick auf die anderen verloren ging. Manchmal half hier auch ein dünner Faden. Und die anderen Stative wurden dann entsprechend gleichmässiig imStudio in die Tiefe gestaffelt. Nun wurde jedem Stativ noch eine Querstange verpasst (exakt in 90 Grad) und die Beleuchter und Kameraassistenten solange getrietzt, bis die Linie einheitlich justiert war. Dann erst wurde der Kamerakopf hin und her geschwenkt ebenso wie rauf und runter und die Kamera auf dem Kopf solange in Höhe und Tiefe verstellt, bis alle Stative und Querstangen über den ganzen Schwenkbereich eine einheitliche Linie behielten. Eine dann noch gemachte Filmaufnahme wurde ins Kopierwerk gebracht, entwickelt, kopiert und dann auf großer Leinwand angesehen, ob alles stimmte, Am nächsten Tag konnte dann der eigentliche Dreh losgehen.

Fazit: Wie schön einfach ist heute doch die Panoramafotografie geworden, besonders, wenn man einen derartigen Experten wie Herrn Hopf konsultieren kann !!!

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