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Adaptierte Fremdobjektive

Wenn man heute von einer Systemkamera redet, meint man meistens eine spiegellose Digitalkamera mit Wechselobjektiv. Typische Vertreter sind die MFT's von Olympus ("PEN") und Panasonic ("Lumix G-Serie"), die Sony NEX, die Fuji X-E-Serie und die Samsung NX-Modelle. Für diesen Typus von Kamera geistern viele unterschiedliche Bezeichnungen durch das Netz, wie "CSC" (Compact System Camera), "MSC" (Mirrorless System Camera), "MILC" (mirrorless interchangeable lens camera), "EVIL" (electronic viewfinder interchangeable lens camera), "DSLM" (digital single lens mirrorless) usw.

Anders als bei der einäugigen Spiegelreflexkamera "SLR" (single lens reflex) und deren digitale Nachfolger DSLR eiern die Hersteller der spiegellosen Systemkameras bei der Namensgebung herum. Dabei wäre es so einfach: Alle diese spiegellosen Systemkameras könnte man einfach als "Leica-M-Copy" bezeichnen - aber das will natürlich keiner, selbst Leica vermutlich nicht.

Die Leica-M hat das Konzept all dieser spiegellosen Systemkameras vorgelegt.
Die wesentlichen Merkmale sind

  • kein Spiegel, kein Prismensucher
  • kurzes Auflagemaß
  • Wechselobjektive mit Bajonett
  • ...

Das optisch markanteste Merkmal ist das kurze Auflagemaß der Objektive.
Das ist der Abstand von der Auflagefläche der Objektive bis zur Sensorebene.
Spiegelreflexkameras verwenden einen Schwingspiegel zwischen Objektiv und Sensor.
Der Spiegel braucht Platz zum Schwingen. Deshalb ist das Auflagemaß der (D)SLR's groß, typisch 39...46,5mm - also größer als die Diagonale des Film-/bzw. Sensorformats.
Eine spiegelose Systemkamera braucht keinen Spiegelkasten und kann deshalb mit einem deutlich kleineren Auflagemaß konstruiert werden. Die Leica-M hat ein Auflagemaß von nur 27,8mm - und das bei einem Bildkreisdurchmesser für den Vollformatsensor mit über 43mm Diagonale ! Das kurze Auflagemaß erlaubt kompakte Linsenkonstruktionen trotz hoher Lichtstärke: Verglichen mit SLR-Objektiven sind die Systemobjektive der Leica-M geradezu winzig (natürlich auch mangels Autofokus-Mimik).  

Im Prinzip kann man ein Objektiv, das für ein langes Auflagemaß gerechnet ist, auch an einer Kamera mit kürzerem Auflagemaß verwenden, wenn man eine Auflageverlängerung dazwischen montiert. Solche Auflageverlängerungen werden inzwischen von verschiedenen Herstellern angeboten. In Deutschland fertigt Novoflex solche Objektivadapter für fast alle erdenklichen Kombinationen.  

In zunehmendem Maß werden wir mit solchen Adaptierungen konfrontiert, wenn ein Kunde sein Lieblingsobjektiv an einer systemfremden Kamera für Panoramafotografie einsetzen will.

Wenn wir die Panoramasysteme aufnahmefertig konfigurieren, greifen wir auf unsere umfangreiche Datenbank mit Objektiv- und Gehäusedaten zurück. So können wir im Prinzip die erforderliche Konfiguration für alle technisch sinnvollen Kamera-Objektivkombinationen rechnen und das Panoramasystem entsprechend konfigurieren. Wenn ein Kunde sein 10,5mm Nikkor Fisheye an seiner Canon 5DMk3 verwenden will oder sein Leica-M-Objektiv an einer Lumix GX1, ist das kein Problem, weil wir die erforderlichen Daten in der Datenbank haben.
Immer häufiger kommt es aber vor, dass ein Kunde eine alte Linse, für die wir keine Daten haben, an seiner neuen Systemkamera verwenden will. Dann vermessen wir die Kamera-Objektivkombination des Kunden und konfigurieren das System ohne Aufpreis.

NEX7 mit adaptierter Linse auf dem MessplatzDiese Woche landete eine sehr ausgefallene Kombination auf unserem Meßplatz: Ein 20mm G.Zuiko adaptiert an einer NEX7. 
G.Zuiko Linsen sind Systemobjektive der legendären Olympus PEN - nicht zu verwechseln mit der aktuellen, digitalen PEN-Serie im MFT-Format. Die "Ur-PEN" von Olympus war etwas ganz Besonderes: Eine geniale Systemkamera im Halbformat, die für den 24mm x 36mm Kleinbildfilm ausgelegt war, aber 18mm x 24mm im Hochformat belichtete.
Frank Mechelhoff hat dieser Kamera eine wunderschöne Homepage gewidmet. Sie ist auf jeden Fall lesenswert ! http://taunusreiter.de/Cameras/Olympus_PenF.html

Unser Kunde war so nett, uns seine PEN-F mitsamt einer zweiten Linse (G.Zuiko Auto-S 1:1,4/40mm) mitzuschicken - solche Schmankerl schauen wir immer gerne an.
Die Seriennummer 203190 verrät das Jahr der Herstellung: 1968.

Ur-PEN neben der NEX7 mit adaptierter Linse

Die legendäre Kamera sieht der digitalen Olympus PEN E-P1 sehr ähnlich - insbesondere von vorne und von unten. Ja - von unten: bereits bei der Ur-PEN war das Kameragewinde gegenüber der optischen Achse seitlich versetzt. Auch die Bodies haben etwa die gleichen Maße. Aber ansonsten gibt es wenig Gemeinsames: Die Ur-PEN war ein Unikum voller technischer Finessen - und ein wirtschaftlicher Flop.

der Spiegel klappt nicht nach oben, sondern nach rechts...der Rotationsverschluss gibt den Strahlengang vollständig frei - bei jeder BelichtungszeitDie Ur-PEN sieht aus wie eine moderne, spiegellose Systemkamera - sie hat aber einen Spiegel !  Der Spiegel schwingt zur Seite, also um eine vertikale Achse.  Ergo ist die Ur-PEN eine SLR, eine Spiegelreflexkamera.
Aber ihr Spiegelkasten ist sehr kompakt.

Der Strahlengang für den Sucher ist ein weiteres Schmankerl: Der rechts von der optischen Achse in den flachen Body integrierter Porro-Prismensucher erzeugt ohne Dachkantprisma ein aufrecht stehendes Bild.

Halbformat wörtlich genommen: 18mm x 24mmAls Verschluß agiert in der PEN ein ebenso ungewöhnlicher  Rotationsverschluß aus Titan. Anders als der sonst bei Spiegelreflexkameras übliche Schlitzverschluss gibt das massive Rotorblatt des Rotationsverschlusses das Filmfenster auch bei der kürzesten Belichtungszeit vollständig frei und erlaubt die Blitzsynchronisation bis zur 1/500 Sekunde. 

 

NEX7 mit dem 20mm G.Zuiko am MultiRow

Die PEN belichtet auf dem normalen 24mm x 36mm Kleinbildfilm ein Negativformat von 18mm x 24mm. Die G.Zuiko-Objektive sind also ausgelegt für einen Bildkreisdurchmesser von 30mm. Entsprechend kompakt sind auch der Schwingspiegel und der Spiegelkasten. Das ermöglicht das für eine Spiegelreflex ungewöhnlich kurze Auflagemaß von 28,95mm.
Bei der Sony NEX ist die Sensorgröße sehr ähnlich, das Auflagemaß aber kürzer: Auflagemaß 18mm, Sensorgröße 15,6mm x 23,5mm, Bildkreisdurchmesser >28,2mm.

Wenn man also die PEN-Objektive mit einer Auflageverlängerung von 10,95mm an eine NEX adaptiert, lassen sich die PEN-Objektive an der NEX nutzen, natürlich nur mit manuellen Einstellungen.
Das 20mm-Objektiv an der NEX weist dann den gleichen Bildwinkel auf wie ein 30mm-Objektiv an einer Vollformatkamera. Und da die G.Zuiko-Objektive für ihre Lichtstärke sehr kompakt gebaut sind, fast wie die Leica-M-Linsen, stehen sie an der NEX7 nicht unten über den Kameraboden über - trotz der sehr tief liegenden optischen Achse der NEXen. So bringen die G.Zuiko-Linsen beste Voraussetzungen mit für die Verwendung an unserem kleinen MultiRow Panoramasystem.

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