Blog-Eintrag

Dauerthema mit Variationen

Die DSLR-Kameraentwicklung der letzten Jahre weist verschiedene Trends auf. Neben immer besseren Sensoren, zunehmender Video-Funktionalität und viel Überflüssigem ("Motivprogramme" u.ä.) auch das: Die optische Achse wird möglichst tief gelegt und das Kameragewinde wandert immer weiter nach hinten (außer bei Olympus - da war es schon lange völlig unsinnig jenseits der Sensorebene).
Dafür baut Olympus jetzt keine DSLRs mehr.
Könnte es sein, daß das Überschreiten der Sensorebene das "Aus" im DSLR-Business markiert ?

Auch Canon und Nikon sind mit ihren Flaggschiffen 5DMk3 und D800 auf diesem Weg.
Bei beiden Kameras ist das Stativgewinde gegenüber dem Vorgängermodell nach hinten gerutscht. Nur noch knapp 3mm trennen bei beiden den Mittelpunkt des Stativgewindes von der Sensorebene. Schraubt man diese Vollformat-Boliden auf das Stativ, am besten noch bestückt mit einem der schwergewichtigen Weitwinkel-Zooms (bei Canon das f2,8/16-35mm USM II, bei Nikon das f2,8/14-24mm), dann zerrt das Gewicht der Kamera und des Objektivs erbarmungslos am Stativgewinde und man stellt fest: diese Kamera ist definitiv nicht für's Stativ gemacht.

Zahlreiche unserer Kunden haben sich einen solchen Boliden geleistet - und natürlich möchten sie die Neue aufgrund der gigantischen Auflösung auch für Panoramafotografie einsetzen - und, keine Frage, natürlich bestückt mit dem schweren 2,8er UWW-Zoom.

Wie bereits früher in einem Blog-Beitrag erwähnt, raten wir den Kunden konsequent davon ab, derartige Setups für Panoramafotografie zu verwenden. Wir verweisen auf das hohe Drehmoment, das am Kameragewinde angreift während die Kamera in Hochformatposition am Panoramasystem hängt. Dabei hat die Schwerkraft über das Drehmoment schon so manchem Kameragewinde den Garaus gemacht. Alles hängt an 3 Gewindegängen, an ein paar Kubikmillimetern Metall. Wir erklären auch, dass sich ein solches Kamera-Ungetüm an jedem Panorama-Set sehr eigenwillig benimmt und das Panografieren so wenig Spaß macht. Gelegentlich, wenn es ein Kunde partout nicht begreifen will, empfehlen wir dann, doch besser ein deutlich schwereres aber dafür sehr verwindungssteifes, blaues Panoramasystem zu verwenden. Damit ist dann zwar das Problem mit dem Stativgewinde noch nicht gelöst ...

Kamerakonstrukteure können den Platz im Gehäuse nur einmal nutzen. Im Kameragehäuse einer DSLR befindet sich unter dem Spiegel platziert der komplexe AF-Modul für den phasensensitiven Autofokus und die Motiverkennung. Wenn die optische Achse der Kameras immer tiefer gelegt wird, kommen sich dieser Modul, der untere Auslauf des vertikal ablaufenden Schlitzverschlusses und das Kameragewinde ins Gehege. Folglich muss letzteres weichen, entweder wie bei den DSLRs nach hinten oder wie bei den Leica-M Modellen (auch ohne Spiegel) auf die Seite. Der Trend in der Kamerakonstruktion, die optische Achse immer tiefer zu legen, kann nicht mehr lange anhalten. Die ungünstige Lage des Schwerpunkts bei DSLRs weit vor dem Stativgewinde ist auch den Konstrukteuren bewusst.
Löcher im KamerabodenAber alles was denen bislang dazu einfällt, sind Vertiefungen ("Löcher") im Kameraboden, in die Fangstifte einer speziellen Kameraplatte auf dem Stativ eingreifen könnten - wenn es denn diese Kameraplatte gäbe. Blöd ist auch, dass die Positionierung und Dimensionierung dieser Löcher nicht vereinheitlicht ist. Nikon schafft es nicht, über diverse Nikon DSLR-Modelle eine Standardisierung hinzubekommen, geschweige denn mit anderen Herstellern.
Und wenn RRS dann irgendwann die passende "Body Plate" auf den Markt bringt und diese (mit oder ohne Fangstift) an der Kamera angeschraubt ist, was ist dann gewonnen ?
Die optische Achse wandert 10mm hoch, Kameramaße und -Masse (mit Platte) werden größer, zusätzliche Kosten entstehen usw. - und trotzdem hängt letztlich alles an den 3 Gewindegängen des Kameragewindes.

Nur die Anwender selbst, also die Fotografen, können Druck auf die Kamerahersteller ausüben mit dem Ziel, dass hier wieder sinnvoll und praxistauglich designed und konstruiert wird. Wenn von immer mehr potentiellen Käufern als Nicht-Kaufargument die idiotische Platzierung des Kameragewindes genannt wird, hat der Hersteller die Wahl:
Eine sinnvolle, praktikable Lösung ohne Spezialzubehör - oder das "Aus" (s.o.). 

Nachtrag 30.10.2012
Seit kurzem ist die Nikon D600 auf dem Markt. Bei der D600 sitzt das Kameragewinde hinter der Sensorebene fast an der Hinterkante des Kamerabodens - also noch weiter hinten als bei der D800. Die bereits erwähnten "Löcher", die ggfs. das Drehmoment im Hochformat aufnehmen könnten, sind wieder anders positioniert als bei der D800. Selbst im Querformat ist die Kamera auf dem Stativ extrem kopflastig. Dieses Kameragewinde ist als Stativgewinde absolut nicht zu gebrauchen. 
Wir werden daher kein Panoramasystem für die D600 anbieten. 
 

Kommentare

Hallo Herr Hopf, Ihrer Meinung über Olympus muss ich widersprechen. Nicht nur, dass Olympus immer noch DSLR produziert, sondern auch, was das Drehmoment angeht. Seit Juli verwende ich Ihren großen Vario Nodalpunktadapter mit einer Olympus E-3 und dem 12-60 mm Zuiko. Der Vario passt wie angegossen. Zusammen mit der beiliegenden Gummiunterlage und der Feststellschraube sitzt es bombenfest. Der Knackpunkt ist die Schraube, mit der man die Kamera befestigt. Ich habe Ihre Schraube und eine Stativschraube von Manfrotto probiert. Mit Ihrer Schraube hält die Kamera auch über Stunden ihre horizontale Position, mit der Manfrotto-Schraube hält sie nicht. Auch Tests mit dem noch schwereren 7-14 mm Zuiko waren erfolgreich ;-) Viele Grüße aus Südbaden Jan-Peter Wahlmann Designer und Fotograf AGD

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