In der Regel will man bei der Panoramafotografie einen ungewöhnlich großen Bildwinkel erfassen und verwendet daher die Kamera im Hochformat. Das gilt gleichermaßen für "single row" und "multi row" Techniken. Den maximalen horizontalen Bildwinkel erreicht man durch die Rotation der Kamera um die vertikale Achse und das anschließende Stitchen.
Am einfachsten erfasst man den großen Bildwinkel - sogar den kompletten Raum - mit single-row-Nodalpunktadaptern und einem zirkularen Fisheye oder einem "Portrait-Fisheye", also Linsen, die 180° Bildwinkel an der langen Sensorseite liefern. Das beliebte 3,5/8mm Sigma z.B. liefert an Nikon DX-Kameras ("Crop1,5") diesen Bildwinkel. Die Canon APS-C-Kameras mit Crop1,6 schaffen mit dieser Linse aber nur ca. 170° vertikal, so dass man die Kamera ein paar Grad nach oben neigen muss, um den Zenit im Kugelpanorama sicher zu schließen.
An Vollformat-Kameras und auch dem 4/3-Format werden häufig Fullframe-Fisheyes verwendet, die nur in der Bilddiagonale 180° Bildwinkel liefern. Das Panorama muss dann im Zenit und Nadir mit mindestens je einer zusätzlichen Aufnahme geschlossen werden.
Mit einigem konstruktiven Aufwand kann man die Kamera derart auf einen Nodalpunktadapter montieren, dass die Sensor-Diagonale vertikal steht und so selbst mit einem Fullframe Fisheye der vertikale Bildwinkel von 180° erfasst wird. Dabei stellt man die Kamera quasi auf die Ecke des Sensors. Für diese Technik hat sich in der Fachwelt der Begriff "slanted" (engl.: geneigt) durchgesetzt.
Slanted Nodalpunktadapter werden seit einigen Jahren von Mitbewerbern angeboten.
Doch "slanted" Systeme sind eher Hardware-Exoten. Sie lassen sich sinnvoll ausschließlich mit einem Fisheye verwenden. Auf dem Einbeinstativ werden sie vorwiegend für unkritische Sujets eingesetzt. Der Grund ist klar: Ist es mit den meisten kommerziellen Panoramasystemen schon aufwendig, die NPP-Position über 2 Achsen genau einzustellen, so ist das mit den slanted-Systemen über 3 Achsen schier unmöglich. Dazu kommt, dass das Sucher- oder Monitorbild im slanted Mode zur Kontrolle des Bildüberlapps nicht genutzt werden kann. So bleibt- die passende Kamera-Objektivkombination vorausgesetzt - zur "Indexierung" nur die N-O-S-W-Ausrichtung der Kamera. Alternativ ist die Verwendung eines rastenden Rotators zwingend notwendig - und damit der Kostenvorteil eines slanted-Systems nicht gegeben. Nicht ohne Grund wurden wir in den letzten Monaten mehrfach angesprochen, wir sollten doch einen "slanted KISS" liefern, der wie das KISS System von uns fix und fertig konfiguriert wird, oder zumindest soweit, dass man im Feld weder eine Skala ablesen noch irgend etwas einstellen muss. Skeptisch haben wir ein slanted System bislang abgelehnt und auf die bereits kommerziell verfügbaren Systeme verwiesen.
Dennoch haben wir Prototypen zweier Varianten eines "Vario SL" konstruiert - und inzwischen mit verschiedenen Kameras ausgiebig erprobt.
Löst man sich erst einmal von der Vorstellung, dass man neben dem Fisheye auch noch eine rectilineare Linse mit dem selben NPA nutzen will, und konfiguriert den "Vario SL" kameraspezifisch genau wie einen KISS, also derart, dass es nichts mehr einzustellen gibt, dann ist der "SLanted" ein sehr brauchbares Werkzeug für voll spärische Panoramen ohne Zenitbild - und auch für kritische Sujets im Nahbereich nutzbar.
Wer allerdings glaubt, mit einem typischen Fullframe-Fisheye mit nur 4 Aufnahmen den ganzen Raum erfassen zu können, wird enttäuscht: man braucht deren mindestens 6.
Anders als beim "orthogonalen" System läßt sich im slanted Mode für einen gegebenen Bild- und Drehwinkel nicht ein fester Wert (z.B. 30%) für den Bildüberlapp angeben: Der Überlapp ist am "Äquator" am größten und nimmt zum "Polarkreis" hin ab.
Mit dem Fullframe Fisheye im slanted Mode wird das Pano im Zenit sicher geschlossen, wenn man die Kamera ca. 3° nach oben neigt. In Nadir wird ohnehin die Basis des Panoramasystems und ggfs. der Stativkopf abgebildet. Per Patch lässt sich dort leicht ein rundes Logo oder ein Freihand-Bodenbild einblenden.
Perfekt ist der KISS SL beim APS-C/DX-Format, wenn das 8er Sigma verwendet wird. Dann reichen bereits 4 Aufnahmen für die volle Kugel.
Die Erprobung des KISS SL hat bislang die erwarteten Vorteile unseres "SLanted" Konzepts bestätigt. Wie beim KISS setzen wir eine Gewindebohrung in die (jetzt geneigte) gummierte Kameraplatte derart, dass der Nodalpunktabstand genau zur Kamera-Objektiv-Kombination passt. Die seitliche Verschiebung der Kameraplatte kann beim SLanted vom Anwender selbst genau auf die Kamera im Bereich +/-3mm fein eingestellt werden. Tatsächlich ist die Handhabung genauso einfach und sicher wie beim bewährten KISS. Und bei einem Systemwechsel lässt sich der KISS SL auf die neue Kamera erneut anpassen.
Gewicht, Abmessungen und Verkaufspreis des KISS SL orientieren sich am KISS - und liegen bei einem Bruchteil alternativer kommerzieller "slanted"-Systeme.
Der KISS SL wird ab Mitte Oktober 2011 lieferbar sein.
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