Blog-Eintrag

Welches Objektiv für's Pano ?

Wenn wir Kunden auf Messen oder am Telefon beraten, werden wir immer wieder mit der Frage konfrontiert: Welches Objektiv soll ich verwenden ?

Nicht selten äußern die Interessenten dabei den Wunsch, "alle drei Zooms, das f2,8/14-24mm, das f2,8/24-70mm und das f2,8/70-200mm" am KISS Nodalpunktadapter verwenden zu können.
Immer wieder kommen auch Panorama-Anfänger mit der Erwartung, sie wollten ausschließ-lich "das 135er, das 85 und das 50er" für Panoramafotografie verwenden, weil diese Linsen die geringste Verzeichnung hätten.

Grund genug, diese Themen einmal aus der Sicht der Panorama-Praxis zu beleuchten.
Das Wort "Panorama" leitet sich von den griechischen Wörtern "PAS" und "HORAO" ab und bedeutet damit so viel wie "alles sehen" oder "das ganze sehen". Im Allgemeinen meint man damit, einen größeren Bildwinkel zu erfassen, als es dem menschlichen Auge möglich ist ohne dass man den Kopf dreht. Folglich decken Panoramen meistens einen (horizontalen) Bildwinkel von über 110 Grad ab - bis hin zu 360 Grad.

Damit bietet es sich an, für Panoramen eine sehr kurze Brennweite zu verwenden.
Je kürzer die Brennweite, desto weniger Einzelaufnahmen sind zum Stitchen des Panoramas erforderlich.
Warum sollte man sich die Mühe machen, ein Bild aus mehreren Aufnahmen zusammen-zusetzen, wenn man es mit einer einzigen Weitwinkel-Aufnahme machen auch könnte ?

Lange Brennweiten, und dazu zählt im Zusammenhang mit Panoramafotografie alles, was einen Bildwinkel von 30 Grad oder weniger hat, machen nur in folgenden Situationen Sinn:

1. wenn man das Letzte an Auflösung aus einem Panorama herausholen will.
Je größer die Auflösung des Kamerasensors und je länger die Brennweite, desto größer die Detailauflösung im fertigen Panorama.
"Lange" Brennweiten sind daher das Mittel der Wahl bei Giga-Pixel-Panoramen.

2. wenn man nicht näher ans Objekt rankommt.
Typischer Fall: Berg-Gipfelpanorama

Tatsache ist, dass man für lange Brennweiten kein Panoramasystem, genauer gesagt, keinen Nodalpunktadapter braucht. Ich fotografier mit der D800 und dem 85mm Nikkor die Panoramen alle aus der Hand - und die stitchen perfekt. Für mehrzeilige Panoramen, insbesondere die Giga-Pixel-Panos braucht man lediglich ein Positioniersystem. Das ist die Domäne der automatischen, programmierbaren Systeme, die gewährleisten, dass man keine Aufnahme "vergisst". Ein Nodalpunktadapter, also ein Panoramasystem im klassischen Sinn, ist dafür nicht erforderlich.

In allen anderen Fällen ziehen wir es vor, mit einer kurzen Brennweite zu fotografieren, bis hin zum Fisheye. Je kürzer die Brennweite, desto weniger Aufnahmen braucht man für's Panorama. Je weniger Aufnahmen man für ein Panorama stitchen muss, desto weniger potentielle Passungs-Fehler gilt es zu beachten. Das gibt Freiraum für belebte Szenen.

Profi-Fotografen, die das Panorama zu einer Flash-VR-Animation verarbeiten, fotografieren mittlerweile fast ausnahmslos mit dem Fisheye in single-row-Technik. Letztlich soll das Flash nicht mehr als 5 oder 10 MB groß sein damit es im Internet verbreitet werden kann. Da macht es keinen Sinn, zunächst ein Panorama aus 10 oder noch mehr Aufnahmen in multi-row-Technik mühevoll zusammenzusetzen um es anschließend so weit runter zu skalieren, bis die gewünschte Dateigröße übrig bleibt.

Wie sieht es nun mit der Verzeichnung aus ?
Schließlich weisen Fisheyes keine gnomische Abbildung auf, und auch viele Weitwinkel-objektive verzeichnen deutlich.
Wie sollen die Bilder problemlos zusammenpassen, wenn die Objektive so verzeichnen ?

Panorama-Neulingen fangen häufig zunächst mit dem Weitwinkel an und setzen die Bilder mit irgend einem Bildbearbeitungsprogramm zusammen, erzielen aber keine Passung.
Mit dem Tele aufgenommene Bilder passen deutlich besser. Sie schieben dann verständlicherweise die mangelnde Passung zunächst auf eine falsch eingestellte Drehachse ("Nodalpunkt") und dann auf die Verzeichnung der Objektive.

Ich will jetzt an dieser Stelle nicht groß erläutern, warum die Bilder derart zusammengefügt nicht passen können, sondern zurückkommen zur Frage der "richtigen" Brennweite. Interessierte verweise ich auf das Panorama-Fachbuch von Harald Woeste oder einen Panorama-Workshop, wo die Themen Perspektive und Projektion ausführlich behandelt werden.

Tatsächlich müssen die einzelnen Aufnahmen eines Panoramas auf eine virtuellen Kugeloberfläche gewölbt und dort gestitcht werden, was die meisten Stitcher mehr oder weniger selbständig erledigen indem sie die Abbildungsgleichung des Objektivs samt Verzeichnungen näherungsweise ermitteln und eine korrigierte Version der Aufnahmen verwenden. Das heißt: das Stitching-Programm korrigiert die Verzeichnung des Objektivs. Tatsächlich sieht man einem fertigen Panorama nicht mehr an, ob es mit einem "normalen" Objektiv (mit gnomischer Abbildung) oder einem Fisheye gemacht wurde. Die Verzeichnung eines Objektivs ist daher kein Aspekt bei der Überlegung, welches Objektiv man verwenden sollte.

Vielmehr sehe ich ein ganz anderes, fast banales Thema, das es zu beachten gilt:
Da wir bei der Panoramafotografie fast immer auch einen recht großen vertikalen Bildwinkel erfassen möchten, verwenden wir die Kamera am liebsten in Hochformat-Position. Fast alle Nodalpunktadapter und VR-Systeme sind so ausgelegt. So kommen wir mit wenigen Zeilen ("rows") aus, idealerweise mit nur einer Zeile ("single row"), in der wir dann mehrere Aufnahmen horizontal anreihen. Im Idealfall mit einem "Portrait-Fisheye" oder einem "zirkularen Fisheye" kommt man bereits mir nur 3 Aufnahmen für ein voll sphärisches Panorama aus. 
In dieser Hochformat-Stellung hängt die Kamera an der 1/4"-Schraube, die das Stativgewinde fasst. Bei einer kurzen Festbrennweite oder einem Fisheye ist das nicht kritisch. Anders bei einem schweren Zoom. Vor allem für das Vollformat gibt es heute wunderbare, aber sehr schwere Zoom-Objektive mit einem Kilo oder mehr Gewicht. Das Paradebeispiel ist das hervorragende Nikkor 2,8/14-24mm, das bereits ein Kilo auf die Waage bringt, oder auch das hier abgebildete 2,8/24-70mm. Canon-Fotografen wollen gerne das gute 2,8/16-35mm nutzen. An einer Vollformat-Kamera auf einem Panoramasystem montiert hängen in diesen Beispielen über 2 kg an der popeligen 1/4" Stativschraube und dem Stativgewinde der Kamera - also an gerade mal zweieinhalb Gewindegängen !   Nicht nur das: es wirkt ein enormes Drehmoment aufgrund des Hebels, der sich aus der Höhe der optischen Achse über dem Kameraboden und der Masse ergibt. Dabei zieht dieses Drehmoment die Kamera vorne nach unten und die Kameraschraube fest. So manches Stativgewinde wurde auf diese Art und Weise schon "ohne Feindeinwirkung" aus dem Kameraboden gerissen.

Dieses Problem wird häufig außer Acht gelassen. Ganz abgesehen davon, dass sich so ein "schweres Monster" auf dem Rotator aufgrund der ungünstigen Schwerpunktlage recht eigenwillig bewegt. Eine weitere Problematik kommt in der Panoramafotografie hinzu: Bei Zoom-Objektiven variiert die NPP-Position ("der Nodalpunkt") mit der Brennweite. Wie groß dieser Nodalpunktgang ist, hängt von der jeweiligen Konstruktion des Objektivs ab. Im schlimmsten Fall verlangt jede Brennweiteneinstellung eine entsprechende Anpassung des Nodalpunktabstands - und genau die wird meistens vergessen. Erfahrungsgemäß ist das die Fehlerquelle Nummer 1 bei Panoramaaufnahmen mit Zoom-Objektiven. Die nächste Fehlerquelle ist, dass sich mit der Brennweite ja auch der Bildwinkel ändert - und der Schwenkwinkel der Kamera natürlich für jede Brennweite anzupassen ist.

Daher komme ich zum Schluß:
Das ideale Panorama-Objektiv ist eine Festbrennweite mit großem Bildwinkel.
Am Vollformat sind das ein (rasiertes) 10er Fisheye, ein 20er, 24er, 28er oder noch ein 35er. Mehr braucht man nicht - es sei denn, man ist Multi-Rowdy (und macht Giga-Pixel von gähnend langweiligen Sujets ;-)  ). 

Etwas einfacher ist es dann beim APS-C oder DX Crop-Format: die Kameras werden fast immer mit einem kleinen Kit-(Zoom-)Objektiv gekauft. Für die meisten Besitzer solcher Kameras ist und bleibt das dann auch das einzige Objektiv. Die nehmen dann natürlich das Zoom, das ja auch nicht so schwer ist wie eine Vollformatlinse, und fotografieren ihre Panoramen sinnvollerweise bei der maximalen Weitwinkelstellung.

Aber es gibt ja heutzutage ebay: Leicht findet man dort eine hervorragende "alte" Fest-brennweite ohne Autofokus zum Schleuderpreis. Und den Autofokus können wir beim Panorama ja ohnehin nicht gebrauchen ...

Kommentare

Die so genannten "Crop"-Kameras pauschal mit Spielzeug gleichzusetzen ist aber recht mutig ;)

Kenne mehr als genug Photojournalisten oder Mediengestalter z.B., die sich sehr darüber freuen, handliche Ausrüstung für verhältnismäßig wenig Geld zu haben. Dass dabei ein 300er Tele quasi von alleine den Blickwinkel eines 450er annimmt, nimmt man gern als Nebeneffekt in Kauf :)

Und Weitwinkel/Fisheyes gibt es für die APS-C & Co. eigentlich auch genug…

hab ich mich da irgendwo vertippt ?
- Nein, Cop Kameras sind absolut kein Spielzeug !
Im Gegenteil: aufgrund des kleineren Bildkreises sind die Kameras kleiner, leichter und viel handlicher als die Vollformat-Boliden. Am Panoramasystem "hängend" sind diese Eigenschaften von Vorteil.  Nicht ohne Grund setzen wir bei wohl jedem vierten KISS, den wir liefern, eine Gewindebohrung für das Sigma 3,5/8mm Fisheye. An der Crop1,5 ist diese Linse der absolute Renner für voll sphärische Panoramen. 
Selbst die MFTs (Crop2,0) kommen mehr und mehr zum Einsatz auch für Panorama-fotografie. Ich selbst setze mittlerweile am liebsten meine GF1 mit dem 8mm Lumix Fisheye oder dem 14mm Pancake ein. 

Ein super Blog danke! Gibt es einen Link, wo man über die Neuigkeiten in diesem Blog benachrichtigt wird? danke Thomas Leitzer

Neuen Kommentar schreiben